30.12.06

Tausch und Täuschung

Obwohl die Palästinenser täglich mit Raketenangriffen auf Israel verdeutlichen, wie sie sich einen Waffenstillstand vorstellen, zog Israels Premierminister Ehud Olmert vor einigen Tagen in Erwägung, palästinensische Häftlinge im Austausch gegen den entführten israelischen Soldaten Gilad Shalit freizulassen. Dieses Vorhaben wurde nun in letzter Minute zurückgenommen. Unterdessen geht der Beschuss Israels mit Kassam-Raketen weiter, für den palästinensische Terrorgruppen etliche tausend Dollar von der Hizbollah erhalten.

Auch in deutschen Medien machte die Meldung die Runde: „Der von radikalen Palästinensern entführte israelische Soldat Gilad Shalit kommt womöglich bald frei. Die Entlassung palästinensischer Gefangener werde bald vollzogen und von der Freilassung Shalits begleitet, sagte der palästinensische Ministerpräsident Ismail Hanija“, schrieb beispielsweise die Süddeutsche Zeitung. Parallel dazu berichteten israelische Zeitungen von einem Plan des Premierministers Ehud Olmert, pünktlich zum heute beginnenden islamischen Opferfest „eine symbolische Zahl palästinensischer Häftlinge“ auf freien Fuß zu setzen, wenn dafür Gilad Shalit (Foto) aus der Gefangenschaft entlassen wird. Die Palästinensische Autonomiebehörde ging sogar von 1.400 Häftlingen aus und sagte, der Austausch werde unter Einbeziehung Ägyptens und Jordaniens abgewickelt. Dieses Vorhaben ist nun – zumindest vorläufig – auf Eis gelegt, weil es „Probleme bei den Verhandlungen über die Freilassung Shalits“ gegeben habe, hieß es von Seiten des israelischen Regierung. Ein Sprecher betonte zudem: „Wenn die Offiziellen sich an den Waffenstillstand halten würden, bekämen sie vielleicht Inhaftierte zurück.“

Auf scharfe und grundsätzliche Kritik stieß ein möglicher Gefangenenaustausch unter anderem bei Itamar Marcus und Barbara Crook von Palestinian Media Watch (PMW): „Wenn man Terroristen freilässt, indem man einer Erpressung nachgibt, ermächtigt man eine ganze Generation von Terroristen, weil diese wissen, dass ihre Aktionen keine dauerhaften Konsequenzen haben und dass selbst die härteste Gefängnisstrafe nicht von Bestand sein wird. Sie müssen nur darauf warten, dass nachfolgende Terroristen eine weitere israelische Geisel nehmen und ein paar andere töten. Dann wird Freiheit nur eine Frage der Zeit sein.“ Marcus und Crook zitieren in einem Beitrag für die Jerusalem Post aus arabischen Quellen, die Entführungen als integralen Bestandteil der palästinensischen Strategie gegen den jüdischen Staat befürworten. Wenn Israel jetzt Häftlinge freilasse, werde das vier Wellen mit israelischen Opfern zur Folge haben, schreiben die beiden PMW-Direktoren: In einer ersten Welle werde die Hamas versuchen, mit immer weiter gehenden Forderungen sowohl Ehud Olmert als auch den palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas unter Druck zu setzen. In einer zweiten Welle würden die freigelassenen Gefangenen damit fortfahren, Israelis zu töten, wie es ausgetauschte Häftlinge in der Vergangenheit auch schon getan hätten. Daraus folge die dritte Welle, in der eine neue Generation von Terroristen, die sich an den vormals inhaftierten „Helden“ orientiere, über Israels Schwäche lachen und das Töten intensivieren werde, bevor in einer vierten Welle schließlich immer mehr Soldaten und Zivilisten entführt und ermordet würden. „Olmert hat die einzigartige Gelegenheit, diesen Kreislauf der Tötungen, Entführungen und Austausche zu durchbrechen, indem er allen Erpressungsversuchen widersteht und so den palästinensischen Terroristen eine ihrer Lieblingswaffen aus der Hand schlägt“, schließen Marcus und Crook.

Unterdessen demonstrieren palästinensische Terroreinheiten einmal mehr, was sie unter einem Waffenstillstand verstehen: Auch am gestrigen Freitag schlugen wieder Kassam-Raketen in Israel ein, abgefeuert aus dem nördlichen Teil des Gazastreifens. Im Unterschied zum vergangenen Dienstag, als unter anderem der 13-jähriger Adir Bassad in Sderot schwer verletzt wurde, trafen die Geschosse diesmal offenbar niemanden. Die Anweisung von Premierminister Olmert und Verteidigungsminister Peretz, die Waffenruhe aufrechtzuerhalten und gleichzeitig die Zellen, die die Kassam-Raketen abschießen, unschädlich zu machen, stößt bei der israelischen Armee derweil zunehmend auf Kritik. Diese Lösung sei unzureichend und nicht praktikabel, sagte ein Sprecher der IDF; notwendig sei zumindest die Einrichtung einer Pufferzone im Gazastreifen, um zu verhindern, dass palästinensische Terroristen zu nahe an den Sicherheitszaun herankommen und ihre Raketen aus dem Grenzgebiet auf israelisches Territorium feuern können. Eine Entscheidung über diese Bitte der Armee sei noch nicht getroffen worden. Parallel dazu verlautbarte aus israelischen Sicherheitskreisen, dass die vom Iran instruierte und finanzierte Hizbollah palästinensischen Gruppierungen, vor allem dem Islamischen Djihad, mehrere tausend Dollar für jeden Angriff mit Kassam-Raketen bezahlt. „Wir wissen, dass die Hizbollah terroristische Aktivitäten im Gazastreifen und der West Bank finanziert. Manchmal werden die palästinensischen Terroristen vor einer Attacke bezahlt, und manchmal schicken sie im Anschluss an sie eine Rechnung in den Libanon und bekommen das Geld kurz darauf“, erklärte ein Shit Bet-Offizieller.

Die Befürchtungen, dass die offiziell vereinbarte Waffenruhe insbesondere der Hamas und anderen terroristischen Organisationen mehr nutzt als schadet und dass die Hizbollah gestärkt aus dem Krieg im vergangenen Sommer hervorgeht, erfahren immer mehr Bestätigung. Eine trostlose, eine fatale Perspektive für Israel, zumal angesichts des europäischen Appeasements, an dem sich wohl auch 2007 nichts ändern wird.

Zum unteren Foto: Ein Polizist trägt Reste einer Kassam-Rakete aus einem Haus. Sderot, 28. Dezember 2006. – Übersetzungen aus der Jerusalem Post: Lizas Welt – Hattip: barbarashm

27.12.06

Überzeugungstäter

Noam Chomsky ist ein umtriebiger Mann, und das auch noch mit 78 Jahren. „Ich frage mich, warum ich nicht mehr tue angesichts des Elends in der Welt und des gefährlichen Erbes, das wir Kindern und Enkeln hinterlassen“, sagte der Linguist, der auch zur Politik einfach nicht schweigen kann, Anfang Dezember dem Kölner Stadt-Anzeiger in einem Interview. Kurz darauf sorgten einige Protagonisten des Elends in der Welt dafür, dass drei Kinder und Enkel kein gefährliches Erbe mehr zu gewärtigen haben: Sie wurden vor ihrer Schule im Gazastreifen von palästinensischen Terroristen erschossen. Noam Chomsky hat sich dazu nicht geäußert. Dazu ist er viel zu sehr damit beschäftigt, „israelische Gräueltaten“ zu geißeln und vor dem „Armageddon“ zu warnen, das der amerikanische Präsident herbeiführen wolle, weshalb ihn „Extremist“ zu nennen „sogar ein Understatement“ sei.

Auch Norman Finkelstein ist einer, der unablässig redet und schreibt. Über das, was er für die „Holocaust-Industrie“ hält, beispielsweise, über die Vorzüge der Hizbollah oder über die Frage, ob seine Mutter, eine Shoa-Überlebende, möglicherweise mit den Nazis kollaboriert hat. Zu der Ermordung der drei Kinder im Gazastreifen hat aber auch Finkelstein nichts von sich hören oder lesen lassen; dafür hält er jedoch gemeinsam mit der Hamas deren Konkurrenz in Person des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas und des ehemaligen Gaza-Sicherheitschefs Mohammed Dahlan allen Ernstes für willfährige Marionetten Israels und der USA, kurz: für Verräter im Kampf für eine World without Zionism. Zur Untermalung hat er auf seiner Homepage deshalb eine entsprechende Karikatur platziert, die sich auch im Stürmer bestens machen würde, gäbe es ihn noch.

Da ist es nur konsequent, dass sich sowohl Chomsky als auch Finkelstein in ihrer Eigenschaft als jüdische Antisemiten bei Judenhassern jedweder Couleur größter Beliebtheit erfreuen, und hätten die beiden an der jüngsten Konferenz in Teheran teilgenommen, wäre ihnen wohl ein ähnlich herzlicher Empfang bereitet worden wie Moishe Arye Friedman und den Mitgliedern der „ultraorthodoxen“ Neturei Karta. Der amerikanische Anwalt, Strafverteidiger, Professor an der Harvard Law School und Autor Alan Dershowitz plädiert daher dafür, mit Hilfe von Warnhinweisen „jegliches Missverständnis auszuräumen, dass diese randständigen Hassprediger irgendjemandes Repräsentanten sind oder für irgendwen sprechen außer für sich selbst“. Sein Beitrag bildete den Auftakt zu einem neuen Weblog der Jerusalem Post, in dem Dershowitz regelmäßig veröffentlichen wird. Lizas Welt hat seinen Text ins Deutsche übersetzt.


Alan Dershowitz

Juden für Ahmadinedjad

Jerusalem Post, 24. Dezember 2006

Inzwischen weiß jeder, dass Juden für Jesus eigentlich keine Juden sind. Sie sind Christen, die ihre jüdische Herkunft als Deckmantel benutzen, um die Leute mit ihren Missionierungsdiensten hereinzulegen. Hingegen glauben viele Menschen immer noch, dass die sieben bärtigen Feinde Israels – Mitglieder eines extremen Kults namens Neturei Karta –, die eine Einladung des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedjad zum Festival der Holocaustleugner im Iran annahmen (Foto), wirkliche Juden sind. Andere wiederum denken, dass Hizbollah-Unterstützer und Holocaust-Verharmloser wie Norman Finkelstein – der seinen jüdischen Ursprung benutzt, um seinen Antisemitismus zu vertreten – echte Juden sind. Nichts könnte weiter entfernt von der Wahrheit sein, und ich schlage deshalb nun ein neues Vokabular zur Beschreibung dieser Betrüger vor. Ab sofort soll die Neturei Karta unter Juden für Ahmadinedjad bekannt werden und Norman Finkelstein samt der Seinen als Juden für die Hizbollah.

Die Neturei Karta beschreibt sich selbst als Teil der „Orthodoxen Juden vereint gegen Zionismus“. In Wirklichkeit sind sie eine kleine Sekte, die sich weigert, Israels Recht auf eine Existenz als säkularer Staat anzuerkennen. Ihrer Ansicht nach dürfen Juden Jerusalem nicht wieder besetzen, bis der Messias kommt und Gott explizit die Schaffung einer jüdischen Nation auf der Grundlage der Halacha erlaubt. Die Neturei Karta ist so erbost über ein säkulares Israel, dass es ihre oberste Mission ist, sich mit Leuten und Organisationen wie Yassir Arafat, der Hizbollah und Ahmadinedjad zusammenzuschließen, um das Menschenmögliche zur Zerstörung Israels beizutragen. Sie zählt nicht mehr als ein paar tausend Menschen.

Noam Chomsky (Foto) verdient wahrscheinlich eine eigene Kategorie. Angesichts der Tatsache, dass er eine Einführung in einem Buch des Holocaustleugners Robert Faurisson – der ebenfalls bei der iranischen Hassorgie auftrat – geschrieben hat, sollte Chomsky nun als Jude für Holocaustleugner bekannt werden. Chomsky behauptete, er habe nur Faurissons Redefreiheit verteidigt, aber diese Verteidigung klingt hohl. Erstens ist er nicht im Entferntesten ein Befürworter der individuellen Handlungs- und Gedankenfreiheit, denn Libertäre verteidigen die Freiheiten aller, ob sie nun mit deren jeweiligen Inhalten übereinstimmen oder nicht. Chomsky tritt aber nur für die ein, mit denen er konform geht. Zweitens hat er Faurissons Holocaustleugnung de facto inhaltlich in Schutz genommen. Er nannte Faurisson einen „sozusagen relativ apolitischen Liberalen“, rühmte dessen „umfangreiche historische Forschungen“ und charakterisierte dessen Erklärungen zum Holocaust als historische „Befunde“. Chomsky sagte zudem, er sehe keinen „Hinweis auf antisemitische Implikationen“ in Faurissons Behauptung, der so genannte Holocaust sei ein vom jüdischen Volk begangener Betrug.

Auch Finkelsteins aus tiefstem Herzen kommender Hass auf Juden und seine Unterstützung der Hizbollah sind gut dokumentiert und leicht zugänglich. Er ist ein Ankläger aller Opfer des Holocausts – der Überlebende „Betrüger“ und „Profitmacher“ nennt –, während er selbst die Nazisprache übernimmt, wenn er amerikanische Juden als „Parasiten“ bezeichnet. Er trägt seine Widerwärtigkeit auf der Zunge. Ein schneller Überblick über seine Positionen findet sich in einem Kapitel meines Buches The Case for Peace.

Genau wie Verbraucher von Lebensmitteln und Tabakprodukten durch Aufkleber gewarnt werden müssen, sollten auch die Konsumenten von Propaganda durch geeignete Beschriftungen gewarnt werden. Und genau wie man seine Staatsangehörigkeit aufgeben kann, kann man auf die gleiche Art auch seine Ethnizität aufgeben. Ich hoffe, dass meine Hinweise auf Antisemiten jüdischen Erbes jegliches Missverständnis ausräumen werden, dass diese randständigen Hassprediger irgendjemandes Repräsentanten sind oder für irgendwen sprechen außer für sich selbst.

Hattip: barbarashm

23.12.06

Hochzeit des Hasses

Warum trachtet nahezu die gesamte arabisch-islamische Welt nach der Auslöschung Israels? Wieso erhalten die Djihadisten beständigen Zulauf? Woraus speist sich der arabische Antisemitismus, dessen eliminatorische Konsequenz sich an der Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten orientiert? Das sind Fragen, deren Beantwortung nicht unmaßgeblich darüber entscheidet, welche Maßnahmen sinnvoll und möglich sind, um eine Tilgung des jüdischen Staates von der Landkarte nachhaltig zu verhindern. Doch die existenzielle Gefahr für Israel wird im Westen von vielen nicht nur gar nicht erst wahrgenommen; vielmehr halten nicht wenige das 1948 per UN-Beschluss gegründete Land der Shoa-Überlebenden für den eigentlich Schuldigen an der Misere im Nahen Osten und vor allem die Palästinenser für deren wirkliche Opfer. Daran schließen zwangsläufig weitere Fragen an: Wie kommt es beispielsweise, dass der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter ein Buch schreibt, das den Titel „Palästina: Frieden ,nicht Apartheid“ trägt und eine einzige Anklageschrift gegen Israel ist? Was reitet die Nahostkorrespondentin eines deutschen Nachrichtenmagazins, die Hamas allen Ernstes für einen selbstlosen Wohltätigkeitsverein zu halten und nicht für eine antisemitische Terrororganisation, der die Vernichtung Israels Zweck und Ziel ist? Woher kommt das Appeasement gegenüber dem Islamismus? Und weshalb ist die UNO mit Verurteilungen Israels stets rasch bei der Hand, während noch die größten Verbrechen islamischer Staaten und Vereinigungen mit Schweigen bedacht werden?

Bruce Thornton (Foto), Buchautor, Journalist und Hochschullehrer an der California State University in Fresno, geht in einem Beitrag für die Website von Victor Davis Hanson vor allem dem letztgenannten Fragenkomplex nach und konstatiert zunächst eine westliche Selbstverachtung, deren Protagonisten vor allem bei den Linken zu finden seien. Die Islamisten hätten sich dabei „die marxistisch inspirierte Verteufelung des Imperialismus und des Kolonialismus, die sentimentale Drittweltlerei, die das nicht-westliche ‚Andere’ idealisiert, und die jugendliche Romanze mit revolutionärer Gewalt“ zunutze gemacht und von einem „moralischen Relativismus“ profitiert, der in der Konsequenz tödlich sei. In einer vollständigen und aberwitzigen Täter-Opfer-Verdrehung und der Konstruktion einer „Gewaltspirale“ werde Israel immer wieder an den Pranger gestellt; dies sei vor allem eine Folge des modernen Antisemitismus, der „wenig zu tun hat mit mittelalterlichem Hass auf Christusmörder und Brunnenvergifter, aber alles mit den Ängsten und Verwerfungen des modernen Kapitalismus, der Industrialisierung und der Urbanität“, als deren Urheber und Nutznießer Juden im Allgemeinen und Israel im Besonderen gesehen würden. Dieser Weltsicht, in der sich die Judenhasser aller Couleur vereinigten, könne man nur mit Abscheu begegnen. Lizas Welt hat Thorntons Beitrag ins Deutsche übersetzt.


Bruce Thornton

Die große Angst


Wie die Moderne den arabischen Antisemitismus nährt


Es gibt eine Textzeile in einem Lied von Elvis Costello, die da lautet: „Ich war Ekel gewöhnt; nun versuche ich, vergnügt zu sein.“ Vor 9/11 war das so ziemlich meine Philosophie. Ich, der ich an einer Universität arbeitete, war täglich dem postmodernen Hokuspokus ausgesetzt, den multikulturellen Fantasien vom edlen Wilden und den Wahnvorstellungen der übrig gebliebenen Linken, die alle dermaßen erkennbar unzusammenhängend und fernab der Realität waren, dass es eine Verschwendung von Energien zu sein schien, sich zu ekeln. Das abgehobene Vergnügen engstirniger Forscher beim Studieren bizarrer chiliastischer Bewegungen schien angemessener und war weniger anstrengend.

Dann kam der 11. September, und die blutige Wahrheit von Richard Weavers Diktum, dass „Ideen Konsequenzen haben“, machte Vergnügungen verwerflich. Das Desaster war die Frucht von Jahren voller schlechter Ideen, insbesondere der der institutionalisierten Selbstverachtung des Westens, der seine eigenen Ideale, Werte und Kultur dämonisiert, während er die der „Anderen“ idealisiert, unabhängig davon, wie dysfunktional sie sind. Unsere Intellektuellen, Akademiker und Künstler erzählten der Welt Jahrzehnte lang, dass der Westen, besonders Amerika, der Bösewicht der Geschichte ist und dass seine Verbrechen – der Imperialismus, der Kolonialismus, der Kapitalismus, die Vergeudung von Ressourcen und die Umweltverschmutzung – für alle Krankheiten der Welt verantwortlich sind. War es da ein Wunder, dass einer der schärfsten historischen Feinde des Westens, der Islam, unsere Selbstgeißelung ernst nahm und daraus schloss, dass wir es verdienten, für die Verbrechen zu sterben, derer wir uns selbst fortwährend bezichtigen? Und in Anbetracht der Tatsache, dass sogar nach 9/11 die gleichen schlechten Ideen weiterhin unser Denken verderben und unsere Versuche gefährden, unsere Zivilisation gegen einen geschickten, engagierten Feind zu verteidigen, ist Ekel die einzig berechtigte Reaktion auf das Verhalten, das durch solch abgestandene Weisheiten erzeugt wird. Belege für diese kulturelle Krankheit überschwemmen täglich die Medien, aber die Resonanz des Westens auf Israels sechzigjährigen Kampf gegen seine Vernichtung bleibt das Beweisstück Nummer eins.

Israel war und bleibt der Schlüssel zum Verständnis des Krieges gegen den islamischen Djihad. Die Gründung eines modernen westlichen Staates im Herzen des muslimischen Imperiums – noch dazu für ein Volk, dessen Angehörige lange als Dhimmis und als geistig Abtrünnige verachtet wurden, die die endgültige Offenbarung Allahs nicht annahmen und die man daher ihres angestammten Landes beraubte – war bloß die krönende Beleidigung, die den Niedergang des Islam seit seinem Höhepunkt in Wien am 11. September 1683 kennzeichnete. Der Gegenangriff auf den Westen, der Djihad zur Rückgewinnung der Länder, die den Muslimen durch Allah gewidmet waren, begann dann ernsthaft mit dem Kampf gegen Israel. Also lehnten die arabischen Staaten 1948 die UN-Resolution ab, die die Gründung Israels und eines palästinensischen Araberstaates vorsah – die Vereinten Nationen waren als westliche Institution den Werten und Idealen des Islam jedenfalls völlig fremd –, und schickten ihre Armeen, um die „zionistische Entität“ zu entwurzeln und zu zerstören. Dieser Versuch schlug fehl, genau wie zwei weitere. Danach änderten die muslimischen Araber ihren Kampf in Richtung einer Zermürbung der israelischen Entschlossenheit durch Terrorismus; gleichzeitig nutzte ihre Propaganda den geistigen, kulturellen und intellektuellen Verfall des Westens aus.

Von den vielen schlechten Ideen, die von den Djihadisten ausgenutzt wurden – die marxistisch inspirierte Verteufelung des Imperialismus und des Kolonialismus; die sentimentale Drittweltlerei, die das nicht-westliche „Andere“ idealisiert; die jugendliche Romanze mit revolutionärer Gewalt –, war der moralische Relativismus die tödlichste. Die Unfähigkeit, den Aggressor vom Opfer zu unterscheiden – also zu differenzieren zwischen dem Töten zwecks Auslöschung eines Volkes und dem Töten zur Selbstverteidigung gegen eine solche existenzielle Bedrohung –, hat den Begriff der „Gewaltspirale“ hervorgebracht, die moralisch schwachsinnige Auffassung, dass die Gewalt der Aggression und die Gewalt zur Verteidigung ununterscheidbar und beide ein Reflex seien, der sinnlos auf den jeweils anderen antworte. Aber die „Moral“ ist nicht so „äquivalent“, wie es auf den ersten Blick scheint, denn in dieser Verdammung einer abstrakten „Spirale“ verbirgt sich ein konkretes, scharfes Urteil über Israels angeblich ursprüngliche Schuld. Obwohl Israel international genauso rechtmäßig ist wie Jordanien, Saudi-Arabien, Syrien, der Libanon und der Irak – andere Staaten, die infolge des Untergangs des Ottomanischen Reiches gegründet wurden –, soll es allein verantwortlich für die vermeintlich illegitime „Besetzung“ des Landes seiner Vorfahren und daher der Erste sein, der Zurückhaltung walten lässt, Zugeständnisse macht und dadurch „die Gewaltspirale durchbricht“.

Das jüngste Beispiel dieser moralischen Inkohärenz findet sich im Titel des Buches des ehemaligen Präsidenten Jimmy Carter: „Palästina: Frieden, nicht Apartheid“. Es ist obszön, das Wort „Apartheid“ zur Beschreibung der Maßnahmen zu gebrauchen, die Israel zu ergreifen gezwungen ist, um seine Bürger davor zu schützen, von Mördern in die Luft gejagt zu werden. Es erinnert an die UN-Resolution, die Zionismus als Rassismus verurteilte und die nur deshalb aufgehoben wurde, weil die Vereinigten Staaten mit der Zurückhaltung finanzieller Zuwendungen drohten. Dass Carter dieses Wort verwendet, spricht entweder für tiefe Ignoranz oder für einen Hass gegen Israel, über dessen Wurzeln man nur spekulieren kann. Carters Ritt gegen die „Israel-Lobby“ – das neueste Modell der alten Verleumdung namens „Die Weisen von Zion“, bei der ruchlose Juden die Welt regieren – legt nahe, dass er einige unangenehme Vorurteile beherbergt.

Ich weiß nicht, ob Carter und andere derart tollwütige Kritiker Israels Antisemiten sind. Aber wie soll man sonst den unerbittlichen, irrationalen Hass gegen Israel und die anspruchsvollen Standards erklären, an denen nur dieser Staat gemessen wird? Einschätzungen zufolge starben seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs 25 Millionen Menschen in verschiedenen Konflikten. Achttausend davon resultierten aus dem Konflikt zwischen Israel und den palästinensischen Arabern, womit Israel auf der Liste der tödlichen Auseinandersetzungen an sechsundvierzigster Stelle geführt wird. (Um diese 8.000 in einen Kontext zu stellen, sei daran erinnert, dass Jordanien erheblich mehr Palästinenser allein während des Krieges des „Schwarzen September“ 1970 ermordete.) Die UNO jedoch hat mehr Resolutionen gegen Israel verabschiedet als gegen die 45 vor ihm rangierenden Staaten zusammen. Und wir sollten nicht vergessen: Welche Gewalt auch immer Israel gebrauchte und welche Fehler es beging, sie resultierten stets aus seinen Versuchen, sich gegen weit größere nationale Armeen und teuflische Terroristen zu verteidigen, die vom hasserfüllten Wunsch geleitet wurden, „Israel von der Landkarte zu radieren“, wie der iranische Präsident es ausdrückte – übrigens ohne dass die Vereinten Nationen je einen Ton von sich gegeben hätten, wie sie auch über die Versammlung der Holocaustleugner schwieg, die kürzlich Gast des Iran waren.

Der Hass gegen Israel ergibt sich also nicht aus einem universellen Prinzip, nach dem Staaten, die andere töten oder deren Länder „besetzen“, eine Verurteilung durch die internationale Gemeinschaft verdienen. Selbst wenn Israel das Land anderer „illegal besetzen“ würde, was es nicht tut, wenn man Geschichte richtig versteht; selbst wenn Israel Palästinenser nicht aus Gründen der Selbstverteidigung töten würde, was es in fast jedem Fall tut; kurz: selbst wenn Israel so schuldig wäre, wie seine Gegner behaupten, wäre die Intensität seiner Dämonisierung immer noch irrational angesichts der zahllosen anderen Aggressoren, deren Opferzahlen und brutale Unterdrückung selbst das schlimmste Zerrbild israelischer Verhaltensweisen in den Schatten stellen.

Antisemitismus ist natürlich nicht die einzige Erklärung für den Hass gegen Israel. Antiamerikanismus ist ein weiterer wichtiger Faktor. Und das Appeasement gegenüber Terroristen und Ölerpressern spielt im Verhalten einiger Staaten ebenfalls eine Rolle. Das nationale Eigeninteresse – wie etwa das französische Streben nach einer Steigerung seiner Bedeutung in der Welt durch das Einschmeicheln bei arabischen Regimes – hilft dabei, die Bereitschaft zu erklären, mit der Israel verraten und verkauft wird. Die eingangs erwähnten Idealisierungen dunkelhäutiger „Anderer“, die „Neo-Kolonialismus“ und „Neo-Imperialismus“ bekämpfen, haben terroristische Mörder in schneidige „Freiheitskämpfer“ verwandelt. Wenn man jedoch sorgfältig die Kritik an Israel wie die von Carter analysiert, kommen alte Stereotype, die Juden als Weltverschwörer begreifen, wieder an die Oberfläche.

Das ist die Stelle, an der der institutionalisierte Selbsthass des Westens ins Spiel kommt. Denn moderner Antisemitismus hat wenig zu tun mit mittelalterlichem Hass auf Christusmörder und Brunnenvergifter, aber alles mit den Ängsten und Verwerfungen des modernen Kapitalismus, der Industrialisierung und der Urbanität. Der Jude wird gehasst, weil er sowohl die Verkörperung dieser Zwänge als auch deren Nutznießer und oberster Manipulator sein soll. Auf diese Weise wird er zum konkreten Sinnbild der „kreativen Zerstörung“ der Moderne, deren Kosten für einige nicht hinzunehmen sind – nicht bloß für diejenigen, die auf der Strecke geblieben sind, sondern auch für jene im Westen, die vom umfassenden Wohlstand und der Freiheit profitiert haben, die der moderne Kapitalismus hervorgebracht hat.

Zu den größten Verlierern des Wettlaufs, um modern zu werden, gehören die muslimischen Araber. Daher ist es keine Überraschung, dass heutzutage die traditionelle islamische Verachtung gegenüber den besiegten Dhimmis ihre Hochzeit feiert mit westlichen antisemitischen Fantasien von jüdischen Intrigen, mit denen alle Schalthebel der Moderne vom internationalen Finanzwesen bis zu den Medien bedient werden. Und diese Zerrbilder finden willige Bündnispartner bei Westlern, die ihre eigene Kultur so sehr hassen, wie radikale Muslime es tun, und die sich, unter dem Deckmantel des „Antizionismus“, den gleichen bösartigen Stereotypen hingeben. Diese äußerst schlechte Idee – dass der moderne Westen und seine ihn kennzeichnende kulturelle Fracht des freien Marktes, des Individualismus, des Rationalismus und der liberalen Demokratie die Motoren des globalen Bösen seien und dass die Juden und Israel die gefährlichsten Verkörperungen dieses Bösen darstellten – befeuert die Raserei der Djihadisten weiterhin und schwächt die Entschlossenheit des Westens. Die Einsätze für diese selbstmörderische Auffassung sind zu hoch, um in uns etwas anderes als Abscheu auszulösen.

Hattip: barbarashm, Franklin D. Rosenfeld

21.12.06

Dänische Kommunikationsguerilla

Die Frau war aufgebracht und wild entschlossen. „Kann ich hier gegen die vielen Ausländer unterschreiben?“, fragte sie die Betreiber eines Standes in der Marbacher Fußgängerzone. „Nein, hier können Sie gegen die doppelte Staatshörigkeit und für die Integration der CDU unterschreiben“, bekam sie zur Antwort – da bat sie um einen Stift. „Staatshörigkeit“ stand auf den Unterschriftenlisten, nicht „Staatsangehörigkeit“, und auch der restliche Text des Aufrufs wich nicht unerheblich von dem der CDU ab, die vor knapp acht Jahren Autogramme gegen den Doppelpass sammelte. „Deutsche Bürger stehen oft erst am Anfang einer gelungenen Integration. Ein klare Kenntnis der Grundzüge zivilen Verhaltens ist daher gerade für Deutsche unverzichtbar“, hieß es etwa, und bei den „Eckpunkten für ein Konzept zur Integration der CDU/CSU“ las man unter anderem: „Kultur und Bildung dürfen nicht nur den Nicht-Deutschen vorbehalten bleiben. Auch die Deutschen müssen sich dieser Anstrengung unterziehen. Benimmkurse und Fernsehverbot erscheinen uns als geeignete Mittel, um öffentliches Urinieren und regelmäßige Drogenexzesse einzudämmen. Es kann nicht angehen, dass es vor allem der Konsum von Alkohol und insbesondere Bier ist, der weithin das Bild des Deutschen im Ausland prägt.“

Von den Unterschriftswilligen schaute sich jedoch kaum jemand den Appell genau an, dessen optische Erscheinung dem der CDU-Kampagne nachempfunden war. Einzelne Bürger nahmen sogar Listen mit nach Hause, unterschrieben sie dort und schickten sie anschließend an den Marbacher CDU-Ortsvorsitzenden. Die Aktion einer Initiative aus der Neckarstadt, die es in ähnlicher Form auch in zahlreichen anderen deutschen Städten gab – teilweise sogar um einen „Sprachtest zur Überprüfung der Integrationsfähigkeit und Integrationsbereitschaft der Deutschen“ ergänzt –, sorgte für einige Aufregung, und die Presse berichtete ausführlich über die ungewöhnliche Maßnahme, mit der das Ansinnen der Unionsparteien, den Wahlkampf durch das Thema „Ausländer“ zu verschärfen, kritisiert wurde.

Kommunikationsguerilla nennt sich das Konzept, dem die Marbacher Aktivisten folgten; zu seinem Repertoire gehört eine ganze Reihe nicht alltäglicher Protestformen wie beispielsweise die Camouflage, das Fake, die Verfremdung, die Umdeutung, die Satire oder die Überspitzung. Ziel ist es, Irritation und Verunsicherung herbeizuführen, gewohnte Codes zu instrumentalisieren oder vertraute Verhaltensmuster umzudrehen; im Unterschied zu herkömmlichen Protestformen wie Demonstrationen, Petitionen oder Flugblättern erreichen die Kommunikationsguerilleros mit relativ geringem Aufwand oft wesentlich mehr Aufmerksamkeit und nicht selten durch die (selbst-)ironische Art der Inszenierung auch mehr Sympathien für ihr Anliegen. Im Falle der geschilderten Aktion gegen die Unterschriftensammlung etwa gelang es den Initiatoren vermutlich weit besser, Absichten und Folgen des CDU-Wahlkampfs zu verdeutlichen, als es etwa durch Kundgebungen möglich gewesen wäre; grundsätzlich sollen letztere durch Kommunikationsguerilla-Aktivitäten jedoch nicht ersetzt, sondern ergänzt werden.

Seit knapp einem Jahr gibt es in Dänemark eine zweiköpfige Gruppe namens Surrend, die sich vor allem der Idee verschrieben hat, „die mächtigen Männer dieser Welt lächerlich zu machen“, und die bereits in sechs verschiedenen Ländern für Aufsehen sorgte. In Weißrussland etwa klebte Surrend zahlreiche propagandistisch gestylte Poster mit dem Konterfei des Diktators Lukashenko und verschiedenen Parolen; eine davon lautete „Du bist so schön wie eine Kartoffel“, eine andere „Du beherrschst die Sonne, den Mond und die Korruption“. Am gestrigen Mittwoch trat das Surrend-Team erneut in Aktion – und diesmal traf es Mahmud Ahmadinedjad: In der Tehran Times erschien eine halbseitige Anzeige mit dem Konterfei des iranischen Präsidenten; darunter standen in englischer Sprache politische Forderungen:
Unterstützt seinen Kampf gegen Bush
Auch wir haben Bush satt
Iran hat das Recht, Atomenergie zu produzieren
Keine US-Aggression gegen irgendein Land
Böses US-Militär, bleib zu Hause
Unterschrieben war das Ganze mit „Dänen für den Weltfrieden“, und auf den ersten Blick sah die Botschaft ganz nach einer Sympathieerklärung für Ahmadinedjad aus. Doch bei genauerem Hinsehen ergaben die Anfangsbuchstaben des Fünfzeilers, von oben nach unten gelesen, das Wort „S-W-I-N-E“, Schwein. „Wir haben es getan, um eine Reaktion auszulösen. Es gibt eine junge Bevölkerung im Iran, die mehr Freiheiten wünscht. Hoffentlich werden sie dadurch inspiriert“, klärte Surrend-Mitglied Jan Egesborg über die Absicht der Aktion auf, und er ergänzte: „Das ist nichts gegen das Land oder die Leute, sondern gegen die Person an der Macht. Wir dachten uns, wir nehmen Ahmadinedjad auf die Schippe, denn er ist nicht sehr liberal oder feinfühlig. Wir meinen, dass er eine extreme Ideologie repräsentiert.“ Bei der Tehran Times war man hingegen not amused und erklärte, die Künstlergruppe habe behauptet, ihre Anzeige sei ein Akt der Solidarität mit dem Iran sowie eine Wiedergutmachung für die Veröffentlichung der Mohammed-Cartoons im vergangenen Jahr. Doch nun werde der Hass gegen die Dänen wieder wachsen.

Denn bei den Mullahs versteht man bekanntlich keinen Spaß, den man nicht selbst ins Werk gesetzt hat. Man darf gespannt sein, was für Reaktionen die in des Wortes bester Bedeutung subversive Tat von Surrend auslöst, mit der der iranische Präsident in einem regimetreuen Medium der Lächerlichkeit preisgegeben wurde. So etwas kratzt zumindest ein wenig an der Autorität, weil es zeigt, dass die Zensur unterlaufen werden kann. Viel mehr kann man von einer Kommunikationsguerilla wirklich nicht erwarten.

Hattip: barbarashm

19.12.06

Schlimmer als die Buren?

Erinnert sich noch jemand an die „Antirassismus-Konferenz“ der UNO im südafrikanischen Durban vor etwas mehr als fünf Jahren? Dort sollte Israel, so wollten es jedenfalls die beteiligten islamischen Staaten, als „rassistischer Apartheidstaat“ verurteilt werden, bevor die Versammlung diesem Ansinnen schließlich doch nicht stattgab; skandalös genug war die Tagung gleichwohl trotzdem. Das parallel tagende NGO-Forum wiederum verabschiedete eine Deklaration, in der Israel des „Völkermords an den Palästinensern“ beschuldigt und Sanktionen „gegen den israelischen Apartheidstaat“ gefordert wurden. Der Vergleich respektive die Gleichsetzung des jüdischen mit dem bis Anfang der neunziger Jahre rassistischen südafrikanischen Staat gehört seit geraumer Zeit zum Repertoire aller möglichen Organisationen und Personen, die an Israel, um es vorsichtig zu formulieren, kein gutes Haar lassen, und er erfreut sich bis heute großer Popularität. Bereits vor viereinhalb Jahren äußerte sich beispielsweise der südafrikanische Bischof Desmond Tutu in dieser Richtung; er klagte zudem über die „mächtige jüdische Lobby“ in den USA und behauptete, jede Kritik an Israel werde „immer gleich als antisemitisch“ bezeichnet. Und erst kürzlich brachte der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter ein Buch heraus, in dem er Israel allen Ernstes vorwirft, „ein Apartheidsystem in der Westbank und in Gaza errichten zu wollen“. Mittlerweile gibt es sogar Stimmen wie die des Sonderberichterstatters für Palästina beim UN-Menschenrechtsrat, die über die besagte Gleichsetzung hinausgehen und Israel bezichtigen, es noch schlimmer zu treiben als damals die Buren. Dass derlei Ansichten auch in österreichischen Medien kolportiert werden, warum sie absurd sind und wozu sie dienen, weiß Karl Pfeifer.


Karl Pfeifer

Getto und Apartheid?


Livia Klingl malt in der österreichischen Tageszeitung Kurier* wieder einmal ein düsteres Bild des Heiligen Landes. Vor Weihnachten – das ja auch an die Grausamkeit von Herodes, König der Juden von Roms Gnaden, erinnert – wird den Lesern suggeriert, die bösen Israelis hielten die fast vollkommen unschuldigen Palästinenser in einem „Getto“. Der Begriff Getto bezeichnet zunächst einen vom 13. bis zum 18. Jahrhundert streng abgeschlossenen Stadtteil für jüdische Einwohner. Wenn der Begriff in einer solch historischen Entfernung liegt, dann mag sein Gebrauch für das Westjordanland vielleicht gerechtfertigt sein. Doch den Juden – und das sollte auch eine Nahostexpertin wissen – war es im Getto zu keiner Zeit gestattet, Waffen zu tragen. Aber das ist nicht alles; es gibt noch ein weiteres Problem: Die deutsch-österreichische Volksgemeinschaft hat die Juden dort, wo sie ihrer habhaft werden konnte, in Gettos gezwungen. Dort wurden sie dem Hunger und den Krankheiten überlassen, um schließlich in die Vernichtungslager deportiert zu werden. Und wenn Klingl den Terminus „Getto“ benutzt, dann kommt doch der Verdacht auf, damit solle suggeriert werden, was schon am Stammtisch zu hören ist: dass nämlich „die Juden“ heute den Palästinensern das antun, was halt die lieben Vorfahren seinerzeit den Juden angetan haben.

In ihren kurzen Beitrag packt Klingl nahezu alle palästinensischen Klagen und Vorwürfe gegen Israel – seien sie nun berechtigt oder nicht –, etwa: „Vom vorhandenen Wasser dürfen sie nur 17 Prozent nützen.“ In der gleichen Ausgabe des Kurier lesen wir ein paar Seiten weiter eine zweiseitige Reportage über „Dubai – Wunderland im Wüstensand“. Dort entstehen Hotels, Marinas und Golfplätze, und man kann „in der größten Ski-Halle der Welt ein paar Schwünge ziehen“. Klingl beklagt, „mehr als 60 Prozent“ der Palästinenser lebten „unter der Armutsgrenze. [...] Die Arbeitslosigkeit liegt – Frauen eingerechnet – bei 70 Prozent“, und auf der gleichen Seite der Zeitung werden Österreicher aufgerufen, palästinensischen Bauern zu helfen. Das ist mir ein Rätsel, berufen sich doch Araber so gerne auf die Umma, auf die Einheit aller Araber also. Sicher könnten diejenigen, die Ski-Hallen und Marinas in der Wüste bauen, viele Probleme der Palästinenser lösen, wenn sie nur wollten. Doch weder die Palästinenser noch ihre Brüder bemühten sich je um konstruktive Lösungen; der Hass gegen Israel (und die Juden) ist ein wunderbares Mittel, um von den eigenen Fehlern abzulenken.

Dann lesen wir bei Livia Klingl die traurige Geschichte des 56-jährigen Abdellatif Mohammed, der 26 Jahre im Ausland habe leben müssen, „weil er keine Genehmigung bekam, nach einem Auslandsaufenthalt in seine Heimat zurückzukehren“. Was der Grund dafür ist, das dürfen die Leser nicht erfahren, wohl aber die Behauptung dieses Herrn, das israelische System sei „schlimmer“ als das Apartheidsystem in Südafrika. Um diese Aussage noch zu bekräftigen, lässt die Verfasserin den Niederländer Gert Soer, EU-Vertragsbediensteter für den Bereich Wassermanagement in Nahost, zu Wort kommen, der seinerseits die Worte Desmond Tutus zitiert, „die Apartheid sei menschlicher gewesen“. Doch was war die Apartheid in Südafrika? Die diskriminierende, rassistische Trennung von Schwarzen und Weißen auf politischer, gesetzlicher und wirtschaftlicher Ebene. Die Beschuldigung, Israel sei ein Apartheidstaat, ist politisch motiviert, verzerrt die geschichtlichen und aktuellen Tatsachen und verharmlost die Verbrechen gegen die Schwarzen in Südafrika.

Die Analogie zwischen der Apartheid und Israel ist absurd. Die Wiedergeburt jüdischer Souveränität im Heiligen Land ist keine Manifestation eines europäischen Kolonialismus. Im Gegensatz zu den weißen Siedlern (Buren, Briten und anderen, die Johannesburg und Pretoria schufen) sind Juden ein nahöstliches Volk mit einer nationalen Sprache: Hebräisch. Israel ist nicht nur eine der am meisten multi-ethnischen Demokratien der Welt, sondern auch ein Land, in dem etwa im Krankenhaus – wie jeder sehen kann, der einmal ein israelisches Hospital besucht hat – im gleichen Zimmer jüdische und arabische Patienten nebeneinander liegen, die von jüdischen und arabischen Ärztinnen und Ärzten behandelt werden. Im Südafrika der Apartheid, laut Bischof Desmond Tutu das so viel „menschlichere“ Land, war das gesetzlich verboten – dort gab es Krankenhäuser, die ausschließlich Weißen vorbehalten waren –, wie auch jeder Geschlechtsverkehr zwischen schwarzen und weißen Bürgern unter schwerer Strafe stand, von einer Heirat gar nicht zu sprechen. In Israel hingegen gibt es viele muslimische Männer, die eine jüdische Ehefrau haben; allerdings verbietet die muslimische Religion einer muslimischen Frau, einen Juden oder Christen zu heiraten. Darüber könnte Frau Klingl (Foto) zur Abwechslung auch einmal berichten.

Mehr noch: Während das südafrikanische Apartheidsystem auf die Verweigerung der Souveränität der schwarzen Bevölkerung gründete, hat Israel von Anbeginn die Zweistaatenlösung einschließlich des Teilungsplans der UNO vom 29. November 1947 akzeptiert. Erinnert werden muss zudem an die Tatsache, dass in Südafrika die schwarzen Arbeiter fast wie Sklaven gehalten und ausgebeutet wurden. Wenn Palästinenser – vor der letzten von ihnen ausgelösten Terrorwelle – in Israel arbeiten mussten, dann geschah dies wegen der Korruption und Unfähigkeit ihrer Elite. Israel profitiert heute nicht mehr von billiger und ungeschulter Arbeitskraft – und bekommt dieses Nichtprofitieren auch noch als Vorwurf zu hören.

Apartheid? Nein. Israel ist die einzige liberale Demokratie im Nahen Osten. Ist sie perfekt? Selbstverständlich nicht. Keine Gesellschaft kann das sein, auch nicht die österreichische, die keine Angst haben muss vor Terroranschlägen, in der Polizisten, die einen Schwarzen krankenhausreif prügeln, mit sechs bis acht Monaten Haft auf Bewährung bestraft werden und nach der Zahlung einer Geldstrafe weiter ihren Dienst versehen dürfen. Doch hier zeigt man mit dem Finger auf Israel, das einzige Land, in dem arabische Bürger frei abstimmen können und im Parlament repräsentiert werden, in dem der Oberste Gerichtshof, an dem es auch einen arabischen Richter gibt, die Gleichheit aller garantiert und in dem Araber – ständig! – die eigene Regierung ohne jede Furcht kritisieren dürfen. Hat Livia Klingl jemals eine Zeile darüber geschrieben, dass in Saudi-Arabien ein Gesetz existiert, das Juden die Einreise verweigert? Und was sagt sie zur Diskriminierung von christlichen Österreichern, die, wenn sie die Heiligtümer ihrer Religion in Israel/Palästina besucht haben, in einige arabische Länder nicht einreisen dürfen, weil ihr Reisepass einen israelischen Einreisestempel enthält?

Was also bezweckt Frau Klingl mit ihrem Apartheid-Vorwurf gegen Israel? Seine Dämonisierung – indem sie den jüdischen Staat als „rassistisch“ etikettiert. Wer das tut, der agiert in Wirklichkeit gegen die Koexistenz und den Frieden. Denn mit Rassisten kann man nicht zusammenleben. Warum tut sie das?

* „Ein Lokalaugenschein“, in: Kurier, vom 17. Dezember 2006, Seite 6

18.12.06

Karate Kids vs. Blogger-RAF

Es gibt einen recht bekannten Witz, in dem ein kleiner Junge zu seiner Mutter läuft und sich bei ihr beklagt: „Papi hat mir eine Ohrfeige gegeben!“ Der Vater, der das hört, ruft daraufhin: „Lügst du schon wieder? Willst du noch eine?“ Ganz ähnlich reagieren zumeist jene, die mit der Vorhaltung konfrontiert werden, dem Antisemitismus zu frönen: Sie fühlen sich ertappt, und ihr Dementi gerät daher stets zu einer unfreiwilligen Bestätigung dessen, was sie eigentlich zu widerlegen glauben. Kaum ein Antisemit, der nicht den Vorwurf, ein veritabler Judenhasser zu sein, entrüstet von sich wiese und nach dem unvermeidlichen „Aber“ nicht zur Sache käme; kaum ein Antizionist, der nicht bloß seine besten Freunde kritisieren dürfen wollte und sich dabei nicht aufführte wie ein Bewährungshelfer, der die Opfer davor zu bewahren trachtet, rückfällig zu werden. Wenn ihnen aber jemand auf die Schliche kommt und die Argumente arg dünn werden, schreien sie Zeter und Mordio sowie nach der Staatsmacht, die zwar auch nicht weiß, was Antisemitismus ist, aber trotzdem irgendwie den Ruf des ehrlichen Maklers genießt und jedenfalls nach Instanz riecht. Und sie fühlen sich als eine von Moralkeule & Meinungsdiktat bedrohte, schützenswerte Minderheit wie weiland Martin Walser in der Paulskirche, dabei wie der Dichter auf warmen Applaus für ihren vermeintlichen Mut sinnend, den doch nur das pure Ressentiment kennzeichnet.

Wenn hier also nun schon wieder von einem die Rede sein soll, dem so viel Aufmerksamkeit eigentlich nicht gebührt, dann wie bisher schon zuvörderst deshalb, weil er nachgerade der Prototyp des eingangs vorgestellten autoritären Charakters ist, ein besonders prächtiges Exemplar der verfolgenden Unschuld überdies und die Beta-Version des „Israel-Kritikers“, der Täter und Opfer bauernschlau zu verdrehen weiß. Und weil er publizistisch tätig ist, also wenigstens ein bisschen mehr Anerkennung, Aufmerksamkeit und Verbreitung findet als ein gewöhnlicher Neurotiker, der Leserbriefe an das lokale Käseblatt oder den Zentralrat der Juden in Deutschland schreibt. Jürgen Cain Külbel, um den es geht, bringt derzeit sein gesamtes, in der verflossenen Deutschen Demokratischen Republik erworbenes kriminalistisches Können in Anschlag, um diesem Weblog den Garaus zu machen. Zu gerne wüsste er, wer ihm da ein paar Mal einige Zeilen gewidmet hat; da entsprechende Nachfragen jedoch unbeantwortet blieben, ist er aufs Spekulieren und auf Beistand angewiesen. Über seinen E-Mail-Verteiler bat er deshalb um „zweckdienliche Hinweise“ und gab dabei gleich selbst einen: „Mir wurde dieser Tage zugetragen, der Chefredakteur des Focus, Herr Helmut Markwort, würde das Blog LIZAS WELT bedienen.“ Der nämliche Kollege nennt zwar ein ganzes Wochenmagazin sein eigen, aber vielleicht sind es ja die Fakten, Fakten, Fakten, die Külbel ängstigen und deretwegen er sich zu solch verschrobenen Vermutungen versteigt.

Möglicherweise hegt er jedoch auch die Hoffnung respektive Erwartung, mit seinen umtriebigen Recherchen gleich ein ganzes Verschwörerkartell ausheben und abstrafen lassen zu können. Dabei ist ihm nun ein nicht ganz unbekannter Blogger behilflich, der zwar noch keine „zweckdienlichen Hinweise“ geben konnte, mit Karate Kid aber immerhin das Leid der Ungewissheit teilt: „Wer zum Teufel ist Lizas Welt?“ Nun, auf jeden Fall ein „Hurra-Israel-Schmalspurdenker“, der sich in der „Anonymität von Blogspot“ versteckt und von dort aus versucht, „Jürgen Cain Külbel so gut es irgend geht zu diskreditieren“. Und das fordert hektische Betriebsamkeit, zumal man fette Beute wittert: „Könnte es sein, dass der Blogger von Lizas Welt eine Person im Fokus der Öffentlichkeit ist, der ihr eigens Geschreibsel richtig peinlich ist und [die] sich deshalb hinter dem Pseudonym Liza versteckt?“ Zappelt nach dem munteren Aufruf zum Outing also am Ende gar ein ganz dicker Fisch à la Markwort an der Angel, mit dem man dann „zum Beispiel in Talkshows à la Sabine Christiansen fröhliche Diskussionen führen kann“? Oder reicht es schließlich doch nur bestenfalls für ein Nachmittagsformat bei RTL oder SAT.1?

Fragen über Fragen, zu deren Klärung aber nicht nur die virtuellen Ede Zimmermanns beitragen sollen, sondern am liebsten auch die Staatsanwaltschaft Berlin, bei der Külbel ausweislich seiner Homepage eine „Strafanzeige gegen Unbekannt“ – nämlich gegen den „anonym arbeitenden Blogger ‚LIZAS WELT’“ – wegen „Verdachts der üblen Nachrede und Verleumdung“ eingereicht hat. Von einer „medialen Schmutzkampagne, die von einer so genannten ‚Blogger-Gemeinschaft’ gegen mich geführt worden war“, ist dort die Rede, von nichts weniger also als einer konzertiert-konspirativen Aktion; dieses Weblog habe sich dabei „nicht gescheut, unwahre Tatsachen“ – oder waren es vielleicht doch wahre Gerüchte? – „über mich zu behaupten und sie zu verbreiten, um mich verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen; sämtlich geeignet, auch meinen Kredit als Buchautor zu gefährden“. Dazu hätte es zwar weder Lizas Welt noch eines anderen Mediums bedurft, weil der klagende Külbel dieses Geschäft bereits selbst mit seinen Texten glänzend besorgt, doch darum geht es auch gar nicht allein: Als Opfer von Denunziationen, Verunglimpfungen, Beleidigungen, Verleumdungen etc. pp. fühlt sich Cain the Brain, dieses Schicksal mit einem anderen kritischen Kopf seines Zuschnitts teilend, dem gar Morddrohungen widerfahren seien: „Er soll erschossen werden.“ Külbel kennt das: „Solcherart ‚Unbequemlichkeiten’ sind auch mir nicht fremd. Während der Recherchen für mein Buch erreichten mich ähnliche ‚Anliegen’; aus den USA vermutlich und Israel.“ Und deshalb „nehme ich meine Analyse äußerst ernst“ – wenn es sonst schon niemand tut –, „um Haupttäter, Anstifter, Zuarbeitende ordentlich auseinander zu halten und um jedem seinen Platz in diesem Wintermärchen zuweisen zu können.“ In Reih’ und Glied, versteht sich. Ordnung muss schließlich sein.

Um der heimlich-hinterhältigen Verschwörung der Blogger-RAF – die sich, glaubt man den detektivischen Forschungen des Karatekommunisten, durch „kriminelle Durchschlagskraft“ und „kriminelle Eigendynamik“ in Tateinheit mit „explosionsartiger Verbreitung“ auszeichnet – nun final auf die Spur zu kommen, wurde der Jurisprudenz ein „vertraulich zu behandelnder Hinweis bezüglich zweier Angaben zur möglichen Identität von ‚LIZAS WELT’“ übergeben, die „allerdings nicht unbedingt exakt sein müssen“. Natürlich nicht: „Ob der nun Schröder, Markwort, Ackermann, Broder oder wie auch immer heißen mag, soll die Staatsanwaltschaft feststellen.“ Ganz schön viel Aufwand angesichts der Tatsache, dass Külbel einige Tage vor seiner Strafanzeige und seinem virtuellen Hilferuf eine virtuos formulierte E-Mail an dieses Weblog geschickt hatte, in der dessen Bedeutung, sagen wir, deutlich geringer eingeschätzt wurde: Markträlävante Vrrwertungsmöglichkeit von ‚Liza’ gleich Null, Null, Null; weil Welt fragen: Who the fuck is Liza? Ich dann sagen gezwungen bin: Nada Nobody, man sagen Wesen mit abgefackelter Perücke über neocon Bruzelhirn; schreiben unter Betdecke für ungewaschenenene Beine.“ Doch jetzt, wo sein neuer Bloggerfreund es kaum erwarten kann, dass der „vermutlich im öffentlichen Fokus stehenden Person“ inklusive ihrer mehrheitlich bei den Freidemokraten (!) organisierten Kohorte „antideutscher Stalker“ das Handwerk gelegt wird und er zudem ganz dringend wissen möchte, „wen Lizas Welt der staunenden Öffentlichkeit als Sündenbock für seine peinlichen Entgleisungen“ zu präsentieren gedenkt, gibt es kein Zurück mehr und erst recht kein Halten.

Man darf also gespannt sein, ob Külbels Recherchen in dieser Sache Handfestes zutage fördern oder ob sie sich auf dem Niveau bewegen, das auch seine sonstigen Unternehmungen etwa in Sachen „Mordakte Hariri“ kennzeichnet und das durch eine Mischung aus Verschwörungstheorien, wilden Spekulationen und ideologischem Eifer geprägt ist. Eine saubere Beweisführung ist Külbels Sache jedenfalls nicht, und so bleibt ihm auch in Bezug auf seine Verleumdungsklage nur die Hoffnung, dass eine Instanz des von ihm ansonsten so verhassten Staates seinen gekränkten Narzissmus justiziabel macht. Das dürfte jedoch nicht ganz leicht werden, denn da war doch noch was: Wie soll man jemanden nennen, der ganz offen bekennt, „viele und mir persönlich bekannte Mitglieder der Hizbollah tatsächlich zu meinen Freunden“ zu zählen, also mit Angehörigen einer Bande per Du zu sein, deren Zweck und Ziel die Auslöschung Israels ist? Welche Bezeichnung verdient einer, der dem Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Salomon Korn, in einem „Offenen Brief“ fragt, weshalb dieser „sich als oberster Sittenwächter in Deutschland“ aufspiele, „obwohl Ihre israelischen Freunde zum gleichen Zeitpunkt massiv töten“, und im gleichen Schreiben befindet, „der jüngste Krieg des Staates Israel“ habe „uns Nachgeborenen eine leise Idee von der Barbarei des Dritten Reichs geben können“; „das jüngste mordbrennende Barbarentum der Israelis“ – er spreche „nicht von Juden, um nicht in die allerorten ausgelegten Fußangeln des Antisemitismus’ zu tappen“, behält sich diese Option also für den Fall des Verschwindens dieser imaginierten Stolperfallen ausdrücklich vor – sei mit dem Zweiten Weltkrieg zu vergleichen, und der in seinen Augen viel zu große Einfluss des Zentralrats müsse auf den von „Hausmeister Krauses Dackelverein“ reduziert werden? Was wäre eine treffende Charakterisierung für jemanden, dem die Vernichtung des europäischen Judentums durch seine Vorfahren zur Nebensächlichkeit gerät? – „50 Millionen Tote, davon allein 20 Millionen Russen, und 35 Millionen Versehrte. Fast 11 Millionen Menschen wurden damals in den faschistischen Konzentrations- und Vernichtungslagern erschlagen, erschossen, vergast oder sie verhungerten; darunter eben auch 5 Millionen Juden – ein Zehntel aller Toten.“

Wenn man davon ausgeht, dass Antisemitismus nicht beim vollendeten Judenmord beginnt, sondern notwendig in ihm kulminiert, gibt es für einen, der solche Sentenzen – und sie sind nur eine kleine Auswahl – offensiv vertritt, nur einen Begriff: Antisemit. Daran ändert kein Gerichtsurteil etwas, und diese Einstufung wird auch nicht dadurch falsch, dass sie von Bloggern vertreten wird, die es vorziehen, einem Hizbollah-Fan nicht gleich mit gezücktem Personalausweis in die Arme zu laufen. Und es macht die Angelegenheit nicht besser, wenn ein Antisemit für eine überregionale deutsche Tageszeitung schreiben darf, der man deshalb ganz im Gegenteil den Vorwurf nicht ersparen kann, einem solchen die Gelegenheit publizistischen Wirkens zu geben. Aber das ist beim Neuen Deutschland andererseits auch nicht weiter verwunderlich, einem Blatt also, dem der Kampf gegen zionistische Insurgenten und andere Agenturen des Imperialismus immer schon eine Herzensangelegenheit war und aus dem deshalb wie zu allen Zeiten die rotbraune Melange des Nationalbolschewismus tropft.

Zum vorweihnachtlichen Schluss noch ein Rührstück von Külbels bloggendem Mitstreiter, mutmaßlich direkt aus dem Parteibuch abgeschrieben: „Versöhnung braucht eine bessere Welt sicher dringender als Hass.“ Wie wahr, wie wahr. Kapituliert die Hizbollah? Streckt die Hamas die Waffen? Oder hat wenigstens Karate Kid Einkehr gehalten? I wo: „Würdest Du Dich bei Jürgen Cain Külbel, den Du scheinbar in blindem Hass auf alles, was irgendwie antisemitisch sein könnte, attackiert hast, öffentlich entschuldigen, so wäre Dir sicher nicht nur mein Respekt gewiss. Vielleicht könntest Du damit gar ein Zeichen für die Versöhnung von Menschen verschiedener Religionen setzen. War eine bessere Welt nicht das Husarenstück, dass Du einst schreiben wolltest?“ Es gibt eine schlimmere Strafe, als verurteilt und geoutet zu werden: die Aufforderung zum Kotau vor dem Wahnsinn, verpackt in den salbungsvollen Worten eines Sozialdemokraten. Nichts wie weg – vielleicht ist beim Kommando Burkhard Hirsch noch ein Plätzchen frei.

Update: Was Sie schon immer über das Leiden des furchtlosen jungen K. unter „subfaschistischen, rassistischen, misanthropischen Kohorten“ wissen wollten, die ihn in einen „Notstall“ zu pferchen gedenken, und was es über Karbatschen, Fallimente, Sybariten, Brast und anderen Wortmüll so alles zu erzählen gibt, verrät Ihnen Cain the Brain höchstselbst in seiner Antwort auf diesen Beitrag.

16.12.06

Mehr als nur ein Kronzeuge

Es ist ein so alter wie durchschaubarer Trick der Antisemiten, für ihre Zwecke stets antizionistische Juden als Kronzeugen zu präsentieren, die – aus welchen Gründen auch immer – dem Staat Israel wenig bis nichts Gutes abgewinnen können. Wenn sie es doch selbst sagen, können wir gar nicht antisemitisch sein, lautet die dahinter stehende Logik, die jedoch nur dann funktioniert, wenn man davon ausgeht, dass Juden per se vor Antisemitismus gefeit sind und für ihren Antizionismus daher ausschließlich edle, hilfreiche und gute Argumente vorzubringen haben, derer sich die Israelhasser dann nur noch bemächtigen müssen, um sich über jeden Verdacht zu erheben. Dementsprechend werden sie umgarnt, die Avnerys, Langers, Finkelsteins und Zuckermanns; mutige Menschen seien sie allesamt – bloß warum? Was ist daran mutig, etwas zu äußern, das in Europa und der islamischen Welt ohnehin common sense ist und das in Israel geäußert werden kann, ohne unterdrückt zu werden? Eigentlich nichts, es sei denn, man folgt dem allemal antisemitischen Fantasma einer zionistischen Allmacht, die mehr oder minder im Verborgenen Politik, Wirtschaft und Medien lenke respektive kontrolliere und dabei auch noch die Shoa für sich instrumentalisiere, sprich: selbst aus der Vernichtung der europäischen Juden durch die Nationalsozialisten noch Profit schlage.

Doch wie sich kürzlich in Teheran zeigte, gibt es sogar Juden, die den Holocaust leugnen und sich mit nichtjüdischen Gleichgesinnten zum entspannten Plausch treffen. Das stellte selbst die junge Welt kurzzeitig vor Probleme, die sich sonst noch den abseitigsten Kronzeugen gegen Israel an den Hals wirft, um einen Persilschein für ihren Antizionismus zu bekommen: Sind diese „ultra-orthodoxen Rabbiner aus Österreich und Großbritannien“, die da bei der Tagung waren, vielleicht gar besonders Mutige? Oder doch eher eine die Antiimps ärgernde „Freude für Irans Feinde“ respektive „deplatzierte Exoten“, die „die Staatsgründung Israels aus religiösen und moralischen Gründen“ ablehnen? Ihre Teilnahme „an der Teheraner Konferenz, die notorischen Holocaust-Leugnern ein Forum bot“ – was offenbar bloß ein Makel des Meetings war und nicht sein Zweck –, werde jedenfalls „auch von vielen antizionistischen Orthodoxen als Fehler angesehen“. Na denn. Viel schlimmer erschien den Nationalbolschewisten ohnehin die „weltweite Propagandaoffensive“ gegen den iranischen Präsidenten, die Benjamin Netanyahu, „der Führer der rechtsextremen israelischen Likud-Partei“, angekündigt habe. Alles wieder im Lot also.

Einer dieser „ultra-othodoxen Rabbiner“, die in den Iran reisten, war Moshe Arye Friedman aus Wien (auf dem Foto mit dem deutschen Rechtsextremisten und Shoa-Leugner Peter Töpfer). Was es mit diesem auf sich hat, was er in Teheran so alles von sich gab, wer ihn hofiert und warum es falsch ist, in ihm bloß einen besonders radikalen „Israel-Kritiker“ zu sehen, schildert Karl Pfeifer ausführlich in einem weiteren Gastbeitrag für Lizas Welt.


Karl Pfeifer

Ein revisionistischer Rabbinerdarsteller in Teheran


Vor ein paar Jahren tauchte in Wien plötzlich ein Moishe Arye Friedman auf, der von sich behauptete, Oberrabbiner einer nicht existierenden Wiener antizionistischen Gemeinde zu sein. Da der Titel Rabbiner nicht geschützt ist, kann sich jeder – und sei er noch so primitiv und unwissend – als solcher bezeichnen. Seine Teilnahme an der Konferenz der Holocaustleugner und -befürworter in Teheran hat die Aufmerksamkeit der Medien jedenfalls wieder einmal auf ihn gelenkt. Erstaunlich dabei ist, dass Friedman von der veröffentlichten Meinung ernst genommen wird, etwa vom österreichischen Staatsfernsehen ORF oder der Nachrichtenagentur AFP. Das deutet darauf hin, dass der Mainstream auf diesen Scharlatan und Rabbinerdarsteller angewiesen war, um zu zeigen, dass es auch „gute Juden“ gibt, die bereit sind, jede antiisraelische Propaganda zu bestätigen.

Als am 11. Dezember Ariel Muzicant, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), in Zeit im Bild 2 von Ingrid Thurnherr zur Teheraner Konferenz befragt wurde, glaubte die ORF-Moderatorin anscheinend, die Tatsache, dass aus keinem anderen Land so viele Teilnehmer zu dieser Konferenz kamen wie aus Österreich, mit einer aggressiven Frage neutralisieren zu können. Sie fragte – und man konnte den Vorwurf heraushören –, weshalb sich die IKG nicht vom Staat Israel distanziere. Muzicant gab ihr die gebührende Antwort. Dochman muss sich wundern, weshalb eine bekannte und zur linken Reichshälfte zu rechnende Journalistin eine solche Frage ausgerechnet dem Präsidenten der jüdischen Gemeinde stellt. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, mit wie viel Fingerspitzengefühl sie mit den Herren aus FPÖ und BZÖ sprach, die in Österreich ausländerfeindliche Politik betreiben und honorige Partner der konservativen ÖVP waren und noch immer sind. Was man aus Thurnherrs Frage heraushören konnte, war die Erwartungshaltung an Juden, sich vom Staat Israel unbedingt zu distanzieren. Diese Haltung charakterisiert leider nicht nur diejenigen, die ihren Antisemitismus mit jüdischen Kronzeugen kaschieren zu können glauben, sondern auch einen Teil des Mainstreams.

Drei Österreicher nahmen an der Konferenz in Teheran teil: Erstens Wolfgang Fröhlich (Foto), der einen Teil seiner Strafe wegen der Leugnung von NS-Verbrechen bereits verbüßt und einen anderen Teil auf Bewährung erhalten hat. Es bleibt abzuwarten, wie die österreichische Justiz auf seine Reise reagiert; laut einer Meldung des Wiener Kurier vom 14. Dezember wird das NS-Verbotsgesetz nicht angewendet, wenn Österreicher im Ausland ein Delikt begehen. Zweitens Hans Gamlich (nächstes Foto), der sich als freier Mitarbeiter der rechtsextremistischen Wiener Wochenzeitschrift Zur Zeit einen Namen gemacht hat. Und drittens Herbert Schaller (übernächstes Foto), Strafverteidiger und bekannter Verteidiger von Neonazis und neonazistischen Organisationen. Moishe Arye Friedman wiederum ist US-Bürger, wird von den Medien jedoch mit Recht als Österreicher gesehen, hat er sich doch hier breit machen können und dabei die Unterstützung von hohen Funktionären der damaligen österreichischen Regierungspartei FPÖ erhalten. Nun hat er den Bogen überspannt und sich in Teheran von Holocaustleugnern und -befürwortern bejubeln lassen. Nicht ohne Grund, denn er wiederholt ihre Lügen und geht zum Teil sogar über sie hinaus. Hier einige Zitate seiner Rede, wie sie von deutschen rechtsextremistischen Websites publiziert wurden und dazu geführt haben, dass ihn sogar der oft antizionistische Guardian als Holocaustleugner qualifiziert. Der Rabbinerdarsteller behauptet zwar, er habe all dies nicht gesagt; Fakt ist jedoch, dass diese Zitate früheren Aussagen ähnlich sind.
„Eine Holocaust-Religion ist konstruiert worden von jenen, die selbst zu den Hauptverantwortlichen für die Verfolgung von Juden zählten: Von den Zionisten, die nicht den geringsten Glauben an Gott besitzen, sondern sich die Ausrottung der Gläubigkeit an Gott in der gesamten Menschheit als Ziel gesetzt haben. Diese Holocaust-Religion beansprucht weltweite Gültigkeit und betrachtet sich als allen internationalen Verträgen, den Verfassungen der einzelnen Staaten und den verschiedensten Glaubensbekenntnissen übergeordnet.“

„In diesem Zusammenhang muss man auf die Tatsache hinweisen, dass die wahren Hintermänner, Finanziers und zum Teil Vollstecker der Grausamkeiten im Zweiten Weltkrieg Zionisten waren.“

„Der Begründer des Zionismus, Theodor Herzl, hat bereits in seinem ersten Tagebüchern erstaunlicherweise von einer Zahl von sechs Millionen Juden gesprochen, die angeblich in Europa bedroht sind, und dass eine Chance für den sog. Judenstaat nur gegeben sein wird, wenn es auch zu einer Katastrophe an diesen sechs Millionen europäischen Juden kommt.“

„Die Gründer des Zionismus, der eine wirklich verbrecherische Sekte ist, haben als eine ihrer ersten Aktionen eine Reise nach Deutschland unternommen, um die Judenfeindlichkeit anzuheizen.“

„Gleichzeitig haben die Zionisten alle möglichen Maßnahmen in die Welt gesetzt, um das deutsche Volk zu provozieren, zu erniedrigen und zu boykottieren, und sie haben bei allen Weltregierungen erfolgreich gegen Deutschland Lobbyarbeit betrieben, unter anderem beim bolschewistischen Russland, aber auch in England und Amerika.“

„Auch vor und während des ersten Weltkrieges wurde seitens der Bolschewisten und der Engländer die Zahl von sechs Millionen Juden benannt, die angeblich von den Deutschen mit der Vernichtung bedroht werden, um diesen Krieg zu rechtfertigen und das Deutsche Volk als absolut bösen Feind darzustellen.“

„Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 haben zionistische Organisationen in Palästina gemeinsam Hitler schriftlich gratuliert, auf die ideologischen Gemeinsamkeiten hingewiesen und eine Zusammenarbeit angekündigt. Kurz danach reisten Goebbels, Himmler und Eichmann aufgrund der zionistischen Jewish Agency nach Palästina, wo sie mit großem Triumph empfangen wurden.“
Goebbels und Himmler waren nie in Palästina; der angebliche triumphale Empfang Eichmanns entspringt der Fantasie des Rabbinerdarstellers. Und sowohl Adolf Eichmann als auch sein Vorgesetzter, der SS-Oberscharführer Herbert Hagen, haben sich nach dieser Reise explizit gegen die Errichtung eines jüdischen Staates ausgesprochen: „Zu keinem Zeitpunkt hat der SD das Projekt eines jüdischen Staates in Palästina unterstützt.“* Friedman weiter:
„Nach der Beendigung des Zweiten Weltkrieges erlebten die zionistischen Vereinigungen weltweit einen ungeheuren Aufschwung – erfrischt durch die angeblich sechs Millionen ermordeten Juden – und erpressten nicht nur von Deutschland, sondern von der gesamten Weltgemeinschaft einschließlich der Katholischen Kirche mit dieser Begründung politisches Wohlverhalten und riesige finanzielle Mittel zur Errichtung und Stabilisierung des Terror-Staates Israel.“

„Die Zahl von sechs Millionen Opfern war und ist eine zionistische.“

„Durch das Holocaust-Geschäft wurde sogar die katholische Kirche erpresst und durch das Zweite Vatikanische Konzil von ihren Glaubenswurzeln entfernt.“
Moishe Arye Friedmann, der ursprünglich in Antwerpen lebte, zog es nach einem Konkurs vor, Belgien zu verlassen, und so kam er vor ein paar Jahren nach Wien. Er war lediglich einige Jahre lang in einem Kollel (Institut für höhere rabbinische Lehren) Student und hat nie ein anerkanntes Rabbiner-Diplom erhalten. Vergeblich versuchte er, die Kontrolle über eine kleine Synagoge in Wien zu erlangen, die in der Folge ihren Betrieb einstellte; wertvolle Thora-Rollen sind seitdem verschwunden. Friedman wurde wegen Besitzstörung rechtskräftig verurteilt und stand zeitweise unter Sachwalterschaft. Gerichtsterminen an jüdischen Feiertagen wohnte er demonstrativ bei. Nach der Verurteilung seines Verhaltens durch den Oberrabbiner von Österreich, aber auch von allen anderen orthodoxen und ultraorthodoxen Rabbinern Wiens, versuchte er, eine eigene „orthodoxe“ Gemeinde bei den österreichischen Behörden anzumelden. Dem Antrag war eine Liste angeblicher Gemeindemitglieder beigefügt; sie enthielt außer seiner eigenen und einigen wenigen unwissentlich gegebenen Unterschriften offensichtlich auch weitere, nicht verifizierbare.

Friedmans Ansinnen wurde bis jetzt nicht entsprochen. Die „Antizionistische Orthodoxe Jüdische Gemeinde“ Wiens bleibt somit ein behördlich nicht anerkanntes Einmannunternehmen, das den Interessen rechtsextremer und islamistischer Kreise dient und enge Kontakte zu rechtsextremen Gruppen und Einzelpersonen in Österreich unterhält, etwa zu dem rechtskräftig verurteilten ehemaligen Bundesrat John Gudenus und dem früheren Volksanwalt und jetzigen FPÖ-Abgeordneten Stadler. Friedman vertritt revisionistisches Gedankengut, wie beispielsweise ein Interview in der Deutschen Nationalzeitung deutlich macht. Gemeinsam mit anderen Juden vom extremen Rand der internationalen antizionistischen Neturei Karta wurde er zum Begräbnis von Yassir Arafat und darüber hinaus mehrmals vom iranischen Präsidenten eingeladen. Wie er seinen Lebensunterhalt bestreitet, ist unbekannt.

Auf einer Rede anlässlich einer Wiener Demonstration gegen den Libanon-Krieg Ende Juli dieses Jahres sagte Friedman unter anderem:
„Sogar der Papst hatte in der Folge des 2. Vatikanischen Konzils die ursprünglichen Positionen des katholischen Glaubens verlassen und den zionistischen Staat Israel anerkannt, wohl auch, weil der moralische Druck der weltweiten zionistischen Lobby bzw. der Vorwurf des Antisemitismus nicht mehr zu ertragen war. Sogar im Libanon haben die Christen im Zuge dessen begonnen, in den letzten Jahrzehnten mit dem zionistischen Regime gemeinsame Sache zu machen. So hat abscheulicherweise diese Woche eine christlich-libanesische Ministerin in einem ausführlichen Interview mit der BBC genau die gleichen Positionen wie Israel und die USA vertreten. Diese Haltung steht aber nicht für das Christentum, bzw. den Katholizismus als solchen, im Gegenteil, es ist die Haltung viele Katholiken eine ganz andere.“
Pikanterweise hat die linksradikale Antiimperialistische Koordination (AIK) diese Rede vollständig veröffentlicht. Sie wusste natürlich vom engen Verhältnis Friedmans zu führenden Rechtsextremisten, denn bereits im Dezember 2003 hatte das Wiener Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW) eine Meldung über ein Interview mit ihm publiziert, in dem er die Palästinensergebiete als „ein riesiges Konzentrationslager“ und Theodor Herzl als „geistigen Vater jener Entwicklung, die zum Holocaust führte“, bezeichnete. Friedman ging aber noch einen Schritt weiter und machte offen dem Antisemitismus der Marke Möllemann und Hohmann die Aufwartung: Diese hätten nur von ihrer „Meinungs- und Redefreiheit“ Gebrauch gemacht. Er betonte, dass ein „Großteil der Zionisten [...] nicht einmal jüdischer Abstammung“ sei, „während die Araber doch ohne Frage Semiten sind“. Friedman, der alle Juden und Jüdinnen, die nicht seine kruden Ansichten teilen, zu „Zionisten“ oder „Gottlosen“ erklärt, behauptete schließlich, diese würden „international aus Geschäfts- und Machtinteressen die Holocaust-Industrie“ betreiben. Mit Aussagen wie diesen bedient er genau wie die Rechtsextremisten antisemitische Ressentiments.

Am 1. Juli 2004 veranstaltete Friedman eine „Rabbinerkonferenz“ in einem Wiener Fünf-Sterne-Hotel und begrüßte neben dem wegen seiner antisemitischen Rede aus der CDU ausgeschlossenen Martin Hohmann auch prominente Österreicher, beispielsweise den Verfassungsrechtler Hans Klesatzky, den Bundesminister a.D. Erwin Lanc (SPÖ), den damaligen Volksanwalt Ewald Stadler (FPÖ), den seinerzeitigen Bundesrat John Gudenus sen. und Rechtsanwalt Johannes Hübner. Friedman sagte bei dieser Gelegenheit, nachzulesen auf der Homepage der Palästinensischen Gemeinde in Wien:
„Weil die Zionisten den Staat Israel herbeiführen und die jüdische Auswanderung nach Palästina fördern wollten, sind sie nicht einmal davor zurückgeschreckt, Pogrome in Russland anzuheizen und zu provozieren – so furchtbar das klingt, meine Damen und Herren, ist es doch beweisbar! Ebenso haben die Zionisten Hitler und das deutsche Volk durch Boykottaufrufe und andere politische Aktionen zu provozieren versucht, sie haben die Nürnberger Gesetze begrüßt und alles getan, den Antisemitismus weiter anzuheizen. Die Zionisten tragen daher eine wesentliche Schuld am Holocaust.“

„Bevor man ein Ende des Besatzungsstatus des Iraks oder Palästinas fordert, muss man ein Ende des Besatzungsstatutes für Deutschland fordern: Das Ende eines zum großen Teil informellen, das heißt geistig [und] medial aufrecht erhaltenen und in dieser Form auch auf Österreich erstreckten Besatzungsstatuts, das nur durch den Missbrauch unseres Namens und unseres Glaubens so etabliert werden konnte.“
Auch der sattsam bekannten rechtsextremistischen Grazer Monatszeitschrift Aula gab Friedman in der Ausgabe 9/2004 ein Interview, in dem er den Antisemitismus unter anderem so rechtfertigte:
„Dabei führt Israel einen eigenen Holocaust gegen die Palästinenser durch, der im Unterschied zu den Barbareien der Vergangenheit vor den Augen der ganzen Welt in aller Öffentlichkeit exekutiert wird, was kein Beispiel in der Weltgeschichte hat. Gleichzeitig wird der Eindruck erweckt, dass der Staat Israel und die so genannten Israelitischen Kultusgemeinden die legitimierten Vertreter des Judentums bzw. der jüdischen Religion seien, woran auch die Katholische Kirche und der Vatikan nicht unschuldig sind. In dieser Situation kommen die einfachen Bürger auch zu Recht zum Schluss, dass die Juden als Juden bzw. als Glaubensgemeinschaft ein mieses Volk, brutal und blutdurstig seien. Doch wie man die gläubigen Juden nicht für die Taten der vom Glauben abgefallenen jüdisch-stämmigen Bolschewisten, Kommunisten etc. verantwortlich machen kann, gilt dies in gleicher Weise für die Zionisten und Israel, deren Existenz dem wahren jüdischen Glauben entgegengesetzt ist.“
Der Holocaustleugner Friedman wird zudem natürlich von der Antiimperialistischen Koodination (AIK) – die auf ihrer Website eine von ihm mitorganisierte Demonstration am Stephansplatz und eine „interkonfessionelle Tagung“ inklusive Buffet ankündigte – und von der Kommunistischen Initiative beworben; er war Redner bei einer von der letztgenannten Gruppierung mitveranstalteten antiisraelischen Demonstration am 28. Juli, neben Leo Gabriel und Mustafa Abdul Hadi von der Palästinensischen Gemeinde. Die Initiative behauptete anschließend: „Besondere Beachtung fand die Rede des Oberrabbiners der orthodoxen antizionistischen jüdischen Gemeinde in Wien, Moishe Arye Friedman. Er musste während der Demonstration von Ordnern beschützt werden, da immer wieder fanatische Zionisten versuchten, ihn zu attackieren.“ Nebbich, kann man da nur sagen. Dennoch glaubte Willi Langthaler, seines Zeichens Anführer der AIK, in einer Diskussion mit dem ehemaligen Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ), Walter Baier, den jüdischen Leugner der Shoa genauso verteidigen zu müssen, wie die AIK es bereits vor Jahren mit einem arabischen getan hatte:
„Warum nennt Baier nicht den Namen der Organisation, die angeblich im Einvernehmen mit dem rechts-rechten Flügel der FPÖ steht? Vermutlich meint er die antizionistische Gemeinde des orthodoxen Rabbiners Friedman. Dieser kümmert sich tatsächlich wenig über schal gewordene Demarkationen zwischen links und rechts, deren Denominationen aber allesamt den Zionismus und das American Empire anerkennen und aktiv verteidigen. Auch für Araber im Allgemeinen ist es schwer den Sinn von links zu erkennen angesichts solcher Linker wie Baier. Wo Völkermord als links und antifaschistisch daherkommt, kann nichts Fortschrittliches mehr wachsen.“
Diese antiimperialistischen Linksradikalen – die gemeinsame Sache mit einem Holocaustleugner machen – kümmern „sich tatsächlich wenig über schal gewordene Demarkationen zwischen links und rechts“, und es ist daher kein Zufall, wenn sie Zustimmung von Neonazis und anderen Rechtsextremisten erhalten. Knut Mellenthin von der Berliner Tageszeitung junge Welt gab sich in einem Beitrag über die Teheraner Konferenz zwar peinlich berührt: „Als deplazierte Exoten wirkten in dieser Umgebung einige ultra-orthodoxe Rabbiner aus Österreich und Großbritannien, die aus ganz anderen Gründen die Existenz des Staates Israel ablehnen.“ Doch damit verharmlost er die Haltung Friedmans, der eben nicht „nur“ die Existenz des Staates Israel ablehnt, sondern auch die Shoa mal in Abrede stellt, mal verharmlost. Und an den iranischen Veranstaltern hatte der Mitarbeiter des nationalbolschewistischen Blattes ebenfalls nur eine unterwürfige Kritik: „Man fragt sich, ob es in dieser großen Nation keine Historiker gibt, die es besser wissen und sich Gehör verschaffen könnten.“ Max Liebermann beschrieb sein Verhältnis zu den Nationalsozialisten einmal mit dem Satz: „Ich kann gar nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte!“ Wenn ich die Ergüsse von Moishe Arye Friedman, seiner rechts- bzw. linksextremistischen Gesinnungsgenossen sowie seiner islamistischen Protektoren lese, fühle ich ähnlich.

Für die Aktion gegen den Antisemitismus in Österreich erstattete Wolfgang Neugebauer gegen Friedman nach dessen Teilnahme an der Teheraner Konferenz Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Wien wegen des Verdachts des Verstoßes gegen den § 3h Verbotsgesetz und den § 283 StGB (Verhetzung). Einen solchen Schritt behält sich die Aktion auch gegen die übrigen Teilnehmer aus Österreich vor. Die Initiative begrüßte zudem die deutlichen Worte, die die österreichische Bundesministerin für Auswärtige Angelegenheiten, Ursula Plassnik, zu dem Skandal fand: Sie verlangte gegenüber der Nachrichtenagentur APA am Montag dieser Woche, dass „jeder Versuch, der Intoleranz und dem Antisemitismus Vorschub zu leisten, von der gesamten Staatengemeinschaft mit aller Schärfe und Nachdruck zurückgewiesen werden muss“. Gleiches gilt für die Nationalrat-Präsidentin Barbara Prammer, die sich tags drauf entschieden gegen „jede Form von Antisemitismus sowie gegen die Leugnung des Holocaust“ aussprach und betonte, dass bei der Teheraner Konferenz Leugner des Holocaust im Vordergrund ständen, die versuchten, „den Antisemitismus mit vordergründig wissenschaftlichen Argumenten salonfähig zu machen“. Angesichts der jüngsten Töne aus der Hauptstadt des Iran mutet es daher mehr als befremdlich an, wenn das Österreichische Institut für Internationale Politik für den 15. Dezember gemeinsam mit der iranischen Botschaft eine Veranstaltung unter dem bezeichnenden Titel „Facts and Figures about Peaceful Nuclear Policy and Activities of the Islamic Republic of Iran“ plant.

Was die österreichische Außenministerin erklärt, ist eine Sache; eine zweite ist, was die österreichische Justiz, die notorisch lax gegen Leugner und Verharmloser der nationalsozialistischen Verbrechen vorgeht, in dieser Angelegenheit unternimmt. Österreichische Politiker rühmen sich ob der strengen NS-Verbots-Gesetze; trotzdem sollte man sich von der Verurteilung David Irvings nicht täuschen lassen, denn diese war die Ausnahme und nicht die Regel. Gesetzlich ist festgelegt, dass nur die „gröbliche“ Verharmlosung von NS-Verbrechen strafbar ist, und bislang hat man schon einige Prominente mit dieser Begründung bzw. Ausrede nicht angeklagt, so zum Beispiel Richard Nimmerrichter („Staberl“), den damaligen Kommentator der meistgelesenen österreichischen Tageszeitung Neue Kronenzeitung. Nimmerrichter hatte am 10. Mai 1992 einen Beitrag mit dem Titel „Methoden eines Massenmords“ veröffentlicht, in dem er behauptete, es seien „nur verhältnismäßig wenige der jüdischen Opfer“ tatsächlich „vergast“ worden; „die anderen sind verhungert oder erschlagen worden“. Doch er wurde nicht verurteilt, da er die nationalsozialistischen Gewaltverbrechen nicht „gröblich“ verharmlost habe. Die österreichische Justiz wird sich im Falle Friedmans wahrscheinlich zudem darauf berufen, dass ein US-Bürger für Aussagen, die er außerhalb Österreichs getätigt hat, nicht zur Verantwortung gezogen werden könne. Der Staat könnte ihm gleichwohl die Aufenthaltserlaubnis entziehen – aber wer solche gute Freunde in einer ehemaligen Regierungspartei hat wie er, wird sich nicht davor fürchten müssen.

Der Bildhauer Alfred Hrdlicka hatte als antifaschistische Großtat unter anderem einen Satz der österreichischen Proklamation vom 27. April 1945 in Stein gemeißelt, nach dem „die nationalsozialistische Reichsregierung Adolf Hitlers kraft dieser völligen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Annexion des Landes das macht- und willenlos gemachte Volk Österreichs in einen sinn- und aussichtslosen Eroberungskrieg geführt hat, den kein Österreicher jemals gewollt hat, jemals vorauszusehen oder gutzuheißen instand gesetzt war, zur Bekriegung von Völkern, gegen die kein wahrer Österreicher jemals Gefühle der Feindschaft oder des Hasses gehegt hat“. Das sollte das Ausland endlich begreifen: Wir sind die reinsten Unschuldslämmer! Wie sagte unser erster Bundespräsident, der Sozialdemokrat Karl Renner, so schön am 29. August 1945 in einer Kabinettssitzung? „Ich finde, dass wir in Bezug auf die Behandlung des Naziproblems in eine kritische Situation kommen. Ich will nicht behaupten, dass ich damit Recht habe, aber die Sache ist nach meinem Gefühl doch so, dass alle diese kleinen Beamten, diese kleinen Bürger und Geschäftsleute bei dem seinerzeitigen Anschluss an die Nazis gar nicht weit tragende Absichten gehabt haben – höchstens, dass man den Juden etwas tut –, vor allem aber nicht daran gedacht haben, einen Weltkrieg zu provozieren.“ Wahrscheinlich werden deshalb angesehene Österreicher an der bereits erwähnten Veranstaltung des Österreichischen Instituts für Internationale Politik und der iranischen Botschaft teilnehmen, denn was haben die Iraner schon vor? „Höchstens, dass man den Juden etwas tut.“

Was aber die Justiz betrifft, wird sie wahrscheinlich feststellen, dass die paar Österreicher, die nach Teheran gefahren sind, eigentlich „willenlos“ waren und als wahre Österreicher doch niemals Gefühle der Feindschaft oder des Hasses gegen andere Völker hegten – mit einer Ausnahme. Und „dass man den Juden etwas tut“, dass man hier oder andernorts antisemitische Hetze betreibt, das wird in Österreich je nachdem als Kavaliersdelikt oder als Heldentat verbucht.

* Peter Longerich, Politik der Vernichtung, Piper 1998, S. 145

15.12.06

Der Querfrontkopf

Zugegeben: Neu ist das Konzept nicht gerade. Bereits in der Weimarer Republik gab es zahlreiche Versuche, vermeintliche oder tatsächliche ideologische Gräben zwischen Linken und Rechten zu überwinden und eine Querfront für Volk & Vaterland zu schmieden; für derlei Unternehmungen standen beispielsweise Oswald Spengler und Arthur Moeller van den Bruck und ihre Idee eines „nationalen Sozialismus“, Ernst Zehrer und sein „TAT-Kreis“, die Strasser-Brüder und ihre Vorstellung von einem deutschen Antikapitalismus, Fritz Wolffheim und Heinrich Lauffenberg und ihre nationalkommunistische Volksgemeinschaft auf der Grundlage einer „Gemeinwirtschaft der Arbeiter“ und nicht zuletzt der Nationalrevolutionär Ernst Niekisch und sein Traum von einem völkisch-großdeutschen Imperium. Doch auch nach der Niederschlagung des Nationalsozialismus verloren solche Konzepte keineswegs an Attraktivität; vor allem Henning Eichberg, der Deutschland als „Opfer des Imperialismus“ und als Kolonie „raumfremder Supermächte“ sah, bekam als Neuer Rechter auch in der Linken reichlich Zuspruch. Eine gemeinsame Grundlage für die Herausbildung und Förderung einer nationalen, also deutschen Identität fand sich dabei stets in der Negation all dessen, was für westlich, jüdisch und dekadent gehalten wurde; dafür stehen Ideologien mit Weltanschauungscharakter: Antisemitismus und Antizionismus, Antiamerikanismus, Antiintellektualismus, Antikapitalismus und Antiimperialismus sowie Antiliberalismus.

Querfrontbestrebungen formeller wie informeller Art erfreuen sich bis heute ungebrochener Beliebtheit. Gehe es nun um die Proteste gegen den Irak-Krieg oder Hartz IV, gegen Globalisierung oder Israel – nicht selten marschieren Neonazis Seit’ an Seit’ mit Friedensbewegten, Ökopaxen und Linksradikalen; die Distanzierungsversuche letzterer fallen in der Regel vor allem deshalb so dürftig aus, weil es schlicht an Argumenten für eine Abgrenzung fehlt, wo Kongruenzen und Überschneidungen allzu offensichtlich sind. Und diese Schnittmenge ist – vor allem nach der so genannten zweiten Intifada und Nine-Eleven – noch größer geworden, seit Teile der Linken wie der Rechten den Islam für sich entdeckt oder doch zumindest festgestellt haben, dass der Feind ein gemeinsamer ist.

Ein täglich erscheinendes Organ hat diese neue Querfront auch, und das schon länger: Es ist die junge Welt mit ihren Pirkers, Rupps und Göbels – und seit vier Jahren auch wieder mit einem besonderen Aushängeschild: Jürgen Elsässer. Früher mal beim Kommunistischen Bund (KB) und deren Zeitung Arbeiterkampf aktiv, war er in der Folge zunächst bis Juni 1997 leitender Redakteur bei der vormaligen FDJ-Zeitung, betrieb nach deren Spaltung eine Weile die Wochenzeitung Jungle World mit und wurde im April 1999 Redakteur der Monatszeitschrift konkret, bevor ihn deren Herausgeber Hermann L. Gremliza im Dezember 2002 vor die Tür setzte, als es Elsässer – der zu seinen besseren Zeiten durchaus wusste, was Antisemitismus ist und welche Absichten sich in der „Israel-Kritik“ manifestieren – nach den Massen dürstete und er wieder auf den Antiimperialismus kam. Seitdem schreibt er – was allemal konsequent ist – wieder für die Nationalbolschewiken und ist darüber hinaus bei der Linksfraktion im Bundestag untergekommen, erst als Mitarbeiter des Abgeordneten Wolfgang Neskovic und nun als Autor des Fraktionsmagazins Clara. Zudem berät er die Fraktion in Sachen BND-Untersuchungsausschuss.

Elsässer intensiviert schon seit einiger Zeit seine Querfront-Aktivitäten. Ende 2002 beispielsweise erschien sein Buch „Kriegsverbrechen – Die tödlichen Lügen der Bundesregierung und ihre Opfer im Kosovo-Konflikt“ in französischer Sprache, und zwar bei L’Harmattan in Paris, einem Verlag, der sich nicht zuletzt der Verbreitung der Schriften von Holocaustleugnern, Israelfeinden und Judenhassern verpflichtet fühlt. Im Februar dieses Jahres dann stellte Elsässer dem Film „Tal der Wölfe“ einen Persilschein aus und mochte in ihm partout keinen Antisemitismus erkennen, obwohl der Streifen vor antijüdischen Klischees nur so strotzt und Elsässers Dementi dementsprechend unversehens zur Bestätigung geriet: „Es gibt im Film zwar einen jüdischen Arzt, der Gefangenen Organe entnimmt und weiterverkauft. Doch er versucht, die Killer an einigen Stellen zu bremsen. Im Vergleich zu ihnen ist er eine eher harmlose Figur – nicht, wie im Klischee, der Drahtzieher, sondern eher der kleine Profiteur der US-Aggression. Wer wollte bestreiten, dass das eine recht zutreffende Allegorie des Verhältnisses zwischen den Regierungen in Jerusalem und in Washington ist?“

An der neuen slowakischen Regierung – eine Koalition aus Sozialdemokraten und Rechtsextremisten – kann der Journalist und Buchautor ebenfalls nichts Schlechtes finden. Und im Juli erschien ein dreiseitiges Interview mit ihm im französischen Hochglanzmagazin Choc du mois (Schock des Monats) – einer rechtsradikalen, verschwörungstheoretischen und antisemitischen Publikation, die in derselben Ausgabe auch gleich eine Unterhaltung mit Jean-Marie Le Pen druckte. Elsässer verteidigte sich damit, die Zeitschrift habe sich das Gespräch „erschlichen“: „Hätte ich gewusst, dass es sich um ein rechtsradikales Blatt handelt, hätte ich das Interview nicht gegeben.“ Er sei „ein freischaffender Publizist, der im Ausland aufs Glatteis geführt wurde“, und jammerte: „Will man mir das vorwerfen?“ Ja, meint Ivo Bozic – denn „die Parameter für eine Bewertung der Zeitung als Nazi-Blatt fehlen“: „Da es sich beim Herausgeber und Chefredakteur um ausgemachte Faschisten handelt, sollte Elsässer vielleicht eher darüber nachdenken, wieso die inhaltliche Schnittmenge zwischen ihm und denen so enorm ist, als darüber, wie es passieren konnte, dass man ihn austrickste.“

Doch damit immer noch nicht genug: Der 49-jährige publiziert zudem in Zeit-Fragen, einem Produkt der offiziell aufgelösten rechten Schweizer Politsekte Verein zur Förderung der Psychologischen Menschenkenntnis (VPM). Und auch hierfür hat er eine Rechtfertigung parat: Das Blatt trete „für Frieden, Menschenrechte, die Wahrung des Völkerrechts und – eine eidgenössische Spezialität – für die Neutralität des Landes ein“, weshalb es „Rechtsradikale und rechte Autoren“ ebenso wenig gebe „wie rechtsradikale oder rechte Themen, wie sich unschwer im Archiv auf www.zeit-fragen.ch ersehen lässt“. Ein Blick in eben dieses Archiv genügt allerdings, um das Gegenteil festzustellen; vor allem die aggressive antiisraelische und antiamerikanische Ausrichtung fällt sofort auf. Und in der aktuellen Ausgabe der Zeit-Fragen darf unter anderem der Völkerrechtler Alfred de Zayas schreiben, der die Alliierten des Zweiten Weltkriegs der Kriegsverbrechen an den Deutschen bezichtigt und eine rechtsradikale Münchner Burschenschaft, bei der er gerne Vorträge hält, gegenüber dem Verfassungsschutz verteidigt.

Als Elsässer in seinem Hausblatt junge Welt dann noch gegen „Multikulti, Gendermainstreaming und die schwule Subkultur“ zu Felde zog, erschraken selbst in der Linkspartei einige über ihren Mitstreiter. „Was empfiehlt Elsässer letztlich? Klassenkampf für Hetero-Deutsche. Ich finde: Das ist nicht links, das ist originär rechts. Eine Partei, wie sie nach meiner Lesart Elsässer vorschwebt, gibt es schon. Sie heißt NPD“, befand die Abgeordnete und Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau – und wurde daraufhin von Elsässer mit den Worten „Was für ein geschichtsvergessener Quatsch!“ angekoffert. Sein junge Welt-Kollege Markus Bernhardt sekundierte: Hier hätten „Heckenschützen“ des publizistischen Feindes „erneut das Feuer“ eröffnet; die Parteidisziplin stehe gleichwohl nicht zur Disposition, denn in der Linksfraktion sei es „Konsens“, der „antiislamischen Stimmungsmache“ entgegenzutreten und „für den Dialog mit dem Iran“ zu plädieren.

Schließlich plant der imperialistische Feind einen Weltkrieg, wie Elsässer in einem Interview bei Voltairenet zu berichten wusste. Dabei war seine Gesprächspartnerin eine höchst bemerkenswerte Person – Silvia Cattori ist eine in der Schweiz und Frankreich lebende Journalistin, die dem Muslim Markt kürzlich einmal richtig ihr Herz ausschüttete: Israel sei ein „Apartheidregime“ und der „schlimmste Feind des Friedens“; Israelis sind für sie „Menschen jüdischer Konfession, die aus aller Welt gekommen sind, die Palästinenser aus ihrem Heimatland vertreiben und sie durch Terrorhandlungen dazu gebracht haben, zu fliehen“, und Antisemitismus „ist eine bewusste Irreführung“. Gute Voraussetzungen also für einen entspannten Plausch mit dem deutschen Kollegen, der ihr auch gleich mal erzählte, dass nach 9/11 israelische Agenten festgenommen worden seien, weil diese die USA womöglich mit ihren Kenntnissen über die Vorbereitung der Terroranschläge durch amerikanische Geheimdienste erpressen wollten. George W. Bush sei dumm und nur ein Werkzeug in den Händen von Cheney, Rumsfeld, Wolfowitz und Pearle, die ausschließlich Militär- und Ölinteressen verfolgten und den Präsidenten am 11. September 2001 eigentlich umbringen lassen wollten. Bei der „Propaganda gegen den Iran“ werde auf die „‚jüdische’ Karte“ gesetzt, also eine Bedrohung Israels bloß erfunden; proisraelische Kräfte dominierten dabei die Medien, beispielsweise in Frankreich, und jüdische Journalisten, die für den Krieg gegen Jugoslawien waren, hätten in Deutschland leichter Zugang zu den Fernsehstudios erhalten als Kriegsgegner, weil man ihre „Stimmen für geostrategische Zwecke“ gebraucht habe. Die Neocons sind für Elsässer die neuen Nazis und bereiteten gerade den dritten Weltkrieg „gegen alle Araber und alle Moslems“ vor, „genau wie Hitler, der alle Juden töten und alle Länder angreifen wollte“. Wenn sie nicht gestoppt würden, werde es den Amerikanern ergehen wie den Deutschen in Stalingrad.

Von Cattori danach gefragt, was er von den
Nine-Eleven-Theorien eines Andreas von Bülow und eines Thierry Meyssan halte, stimmte Elsässer den beiden Verschwörungstheoretikern zu und bezeichnete ihre Recherchen als „sehr nützlich, um die Wirklichkeit der Fakten fortzusetzen und zu vertiefen“. Auch hier hatte er also keine Probleme, sich einem ausgewiesenen Rechtsextremisten anzuschließen: Über Meyssan schreibt die Publizistin Gudrun Eussner, „dass er seinerzeit mit üppigen Honoraren des von den Vereinigten Arabischen Emiraten finanzierten Zayed-Zentrums der Liga der arabischen Staaten, mit Sitz in Abu Dhabi, durch die arabischen Scheichtümer und durch Saudi-Arabien zieht, um zu verkünden, dass kein Flugzeug ins Pentagon geflogen ist. [...] Der in 28 Sprachen übersetzte, in mehr als 50 Ländern erhältliche Bestseller über den 11. September 2001 ‚L’Effroyable imposture’ wird in deutscher Übersetzung unter dem Titel ‚Der inszenierte Terrorismus, Auftakt zum Weltenbrand?’ [veröffentlicht], herausgegeben vom Verlag ‚Editio De Facto’ des Rechtsextremen Pierre Krebs vom ‚Thule-Seminar’“. Meyssan unterhält zudem gute Kontakte zur Hizbollah und anderen islamistischen Terrorgruppen.

Am 14. Januar des kommenden Jahres landet Jürgen Elsässer nun seinen nächsten Coup. An diesem Tag erscheint nämlich sein neues Buch mit dem bezeichnenden Titel „Angriff der Heuschrecken – Zerstörung der Nationen und globaler Krieg“. Bereits die Vorankündigung lässt nur den Schluss zu, dass der Buchmarkt mit einem national-sozialistischen Traktat beglückt werden wird: „Die einzig verbliebene Supermacht duldet neben sich keine andere Nation. Die Heuschrecken des Kapitalismus fressen alles kahl und verwüsten auch blühende Volkswirtschaften. Wie vor hundert Jahren entstehen rund um den Globus Kolonien und Halbkolonien – sowie Konzentrationslager für die Eingeborenen.“ Noch während des Jugoslawien-Krieges hatte Elsässer scharf protestiert, als die rotgrüne Bundesregierung im Kosovo „KZs“ entdeckt haben wollte – nun findet er ihre Reinkarnation selbst und bewirbt sein Pamphlet mit dem Versprechen einer wahrhaft faschistischen Ästhetik: „Präsentiert wird keine trockene Analyse, sondern ein blutiges Schlachtengemälde: der Aufmarsch einer gewaltigen Armada und die ersten erfolgreichen Gegenstöße des Widerstandes.“ Um das „Imperium der Aliens“ und seinen „denationalisierten Ultra-Imperialismus“ werde es gehen, um die antideutschen Unterstützer der Weltkriegsabsichten der Neocons, um den „globalistischen Faschismus“ made in USA und um den „Antiislamismus“, der „heute die wichtigste Hassideologie“ sei – und natürlich nicht der Antisemitismus –, was wiederum „Auswirkungen auf den antifaschistischen Kampf“ haben müsse. „Die Linke kann nur mit einer populistischen Strategie die Heuschrecken vertreiben“, lautet Elsässers Credo, mündend in die Forderung: „Alle Macht dem Volke, verjagt die Heuschrecken, Schluss mit der Unterordnung unter die US-Politik – das ist die Melodie, die die Verhältnisse zum Tanzen bringen wird.“

Das klingt nicht nur nach einem Querfront-Potpourri aus Niekisch und Eichberg, das wird es auch sein. Oskar Lafontaine und Norman Paech brauchen sich jedenfalls keine Gedanken über ein Gastgeschenk zu machen, wenn sie nächstes Jahr zu Mahmud Ahmadinedjad in den Iran reisen. Nur ins Persische müsste das Buch vielleicht noch übersetzt werden. Aber da findet sich gewiss jemand – bei den Beziehungen.