28.12.07

Vergewaltigungssoziologie

Bis vor wenigen Tagen konnte man davon ausgehen, dass es kein Verbrechen gibt, dessen sich die israelische Armee noch nicht schuldig gemacht hat: Sie hat fremdes Land besetzt, dessen durchweg friedliebende Autochthone gedemütigt, eingesperrt oder gleich dahingemetzelt, eine Hungersnot nach der anderen ins Werk gesetzt, Menschen zu verzweifelten Selbstmordanschlägen getrieben und zuletzt sogar vor Bethlehem den Weihnachtsmann verprügelt. Doch dank einer aufmerksamen und engagierten israelischen Soziologin namens Tal Nitzan weiß man jetzt, dass die IDF sich noch weit ärgerer Unterdrückungsstrategien befleißigt als bisher angenommen: Ihre Soldaten vergehen sich nämlich nicht an palästinensischen Frauen – und demonstrieren damit erst recht ihren abgrundtiefen Rassismus. Denn durch diese Unterlassung zeigen die uniformierten Männer, wie Nitzan herausfand, dass ihnen diese Frauen noch nicht einmal eine Vergewaltigung wert sind. Außerdem wollen sie so eine Erhöhung der Geburtenrate in den palästinensischen Gebieten vermeiden. Das Shaine Center der Hebräischen Universität Jerusalem war von den Erkenntnissen der Doktorandin dermaßen begeistert, dass es ihr sogleich einen Preis verlieh.

Nein, das alles ist kein Scherz. Nach einer Befragung von 25 israelischen Soldaten kam Tal Nitzan allen Ernstes zu dem Ergebnis: „Das Fehlen organisierter Vergewaltigungen durch das Militär ist eine andere Art und Weise, politische Ziele zu verwirklichen. Im israelisch-palästinensischen Konflikt verstärkt dieses Ausbleiben von Vergewaltigungen die ethnischen Grenzen noch und verdeutlicht die interethnischen Differenzen – genau so, wie es organisierte Vergewaltigungen durch das Militär getan hätten.“ Mit anderen Worten: Egal, ob die IDF nun über palästinensische Frauen herfällt oder nicht – das eine wie das andere ist ein Zeichen von rassistischer Erniedrigung. Denn: „Vergewaltigung und Nicht-Vergewaltigung sind zwei Seiten derselben Medaille, weshalb der Einsatz von jeweils einer der beiden Möglichkeiten in verschiedenen Situationen zu den gleichen Ergebnissen führen kann.“ Damned if you do and damned if you don’t.

Den Angehörigen der israelischen Streitkräfte, glaubt die Akademikerin, werde beigebracht, die Palästinenserinnen nicht als menschliche Wesen zu begreifen. Die Soldaten hielten sich aber auch „aus demografischen Gründen“ zurück – schließlich wollten sie nicht dazu beitragen, dass die arabische Bevölkerung noch weiter wächst. Steven Plaut, Universitätsprofessor in Haifa und politischer Kommentator, spitzte diesen haarsträubenden Unfug pointiert zu: „Der israelische Rassismus hat demnach eine Unterdrückung des sexuellen Verlangens jüdischer Männer nach palästinensischen Frauen bewirkt – was nur eine weitere Manifestation des zionistischen Rassismus ist. Da das Fehlen von Vergewaltigungen arabischer Frauen durch israelische Soldaten keine historische Parallele zu irgendeiner anderen menschlichen Armee in Kriegszeiten hat, kann das Fazit nur lauten, dass jüdische Soldaten weit rassistischer und intoleranter sind als die anderen.“

Tal Nitzan hätte natürlich auch einfach zu dem Ergebnis kommen können, dass die moralischen Standards in der IDF schlicht höher sind als in anderen Armeen. Aber das widersprach augenscheinlich ihrer Absicht, und deshalb musste das offenbar unerwartete Resultat der Soldatenbefragung interpretatorisch etwas frisiert werden. Für derlei Gehirnakrobatik bekam die Doktorandin dann auch noch einen Preis verliehen, was Zali Gurevitch, linker Anthropologe und Vorsitzender der zuständigen Professorenkommission, auf Nachfrage entschlossen verteidigte: „Es handelt sich um eine seriöse Arbeit, in der zwei wichtige Fragen gestellt wurden: Ist das relative Fehlen von Vergewaltigungen durch die IDF ein erwähnenswertes Phänomen? Und falls ja: Warum gibt es nur so wenige Vergewaltigungen durch die IDF, während sie weltweit in vergleichbaren Situationen wesentlich alltäglicher sind?“, sagte er dem Internetsender Arutz Sheva (Kanal 7).

Wie absurd Nitzans Befund ist, israelische Soldaten seien besonders brutale Besatzer, gerade weil sie palästinensische Frauen nicht sexuell misshandelten, machte Steven Plaut anhand eines Umkehrschlusses noch einmal deutlich: „Würde die kleine Tal von Terroristen der Hamas vergewaltigt, dann zeigte das ihrer eigenen Logik zufolge nur, dass diese Terroristen egalitäre und fortschrittliche Freunde von Frieden und Gerechtigkeit sind.“ Als solche werden sie vor allem in Europa allerdings schon länger gehandelt, und das nicht nur im Konjunktiv. Übrigens wäre es nach dieser Studie wahrscheinlich ausgesprochen sinnvoll, wenn Israel dauerhaft im Westjordanland und Ostjerusalem bliebe. Sonst wird am Ende noch eine akademische Untersuchung prämiert, die den Abzug als „rassistisch“ qualifiziert – weil die Palästinenser den Israelis nicht einmal mehr eine Besatzung wert seien. Und das kann ja wirklich niemand wollen.

Übersetzungen: Lizas Welt – Hattips: barbarashm, Blütenlese, Daniel Fallenstein, tw_24

Update 18. März 2009: Eine niederländische Fassung dieses Beitrags findet sich auf der Website Het Vrije Volk: „Linkse Israëlische sociologe ontmaskert het Israëlische leger.“