28.6.07

Die Kurnazianer

Wann immer hierzulande das Gespräch auf das Gefangenenlager Guantánamo kommt, schlägt die Stunde der Bescheidwisser, und davon gibt es bekanntlich eine ganze Menge. „Auschwitz!“ trauen sich (noch) nur wenige laut zu rufen, aber dass es sich jedenfalls um ein „Konzentrationslager“ handelt, darin sind sich viele Deutsche – die es qua Urheberrecht schließlich wissen müssen – mit Reinhard Mey, der Friedensbewegung und dem Online-Lexikon Wikipedia* einig. Guantánamo – das wird als Synonym für vollendete Rechtlosigkeit, Willkür, Folter und Mord gehandelt; Guantánamo – das erscheint als Inbegriff für „das erste weltweite Gefängnis eines Imperiums, das die Weltherrschaft anstrebt“, wie es bei amnesty international heißt. Da man den USA in projektiver Umkehrung eigener Allmachtsfantasien schlichtweg alles zutraut, werden Widersprüche und abweichende Stellungnahmen entweder gar nicht erst zur Kenntnis genommen oder schlicht als Propaganda abgetan. Dafür stürzt man sich umso gieriger auf ehemalige Guantánamo-Häftlinge, deren Erzählungen in der Regel nicht nur nicht geprüft, sondern vielmehr als Tatsachenberichte aus- und deshalb oft genug gleich im Indikativ wiedergegeben werden. Auf diese Weise lässt sich auch das lästige Problem umschiffen, dass die Gefangenen in Guantánamo unter dem Verdacht stehen, islamischen Terrororganisationen anzugehören oder zumindest enge Verbindungen zu diesen zu unterhalten: Wenn ein Ex-Häftling versichert, er habe mit Al-Qaida oder anderen Mordbanden nie etwas zu tun gehabt, wird ihm das nur allzu bereitwillig geglaubt – schließlich eignen sich solche Beteuerungen prächtig, um dem Mythos von den durchweg unschuldig Eingesperrten weitere Nahrung zu geben.

Und so wird einer wie Murat Kurnaz (Foto) in Deutschland nachgerade zum (tragischen) Helden. Sein Leidensweg, den er bekanntlich zu einem Bestseller verarbeitet hat, „ist inzwischen weltweit bekannt“, schrieb die Publizistin Gudrun Eussner; „sein Ziel Ende 2001 sei es nur gewesen, in Pakistan ‚sich selbst zu finden und seinen Glauben zu vertiefen’, wie er den Abgeordneten des Europaparlaments weismacht, die das wohlwollend glauben, weil sie’s glauben wollen wie auch alle anderen, denen er es erzählt“ – zuletzt einmal mehr dem Reinhold Beckmann, im Verbund mit dem zum Islam konvertierten früheren Guantánamo-Seelsorger Yusuf Yee und flankiert vom notorischen Nahostexperten Peter Scholl-Latour sowie dem FDP-Obmann im BND-Untersuchungsausschuss Max Stadler, der Kurnaz „ohne jeden Zweifel für glaubwürdig“ hält. Auch die meisten Rezensenten von Kurnaz’ Buch Fünf Jahre meines Lebens nahmen dem heute 25-jährigen praktisch jedes Wort unbesehen ab; nur selten hinterfragen Journalisten seine Geschichte(n) so kritisch wie Alan Posener im DeutschlandRadio oder weisen wenigstens auf Ungereimtheiten hin, wie die FAZ in ihrer vorgestern erschienenen Besprechung: „Warum die vorgebliche Bildungsreise [nach Pakistan] konspirativ geplant wurde, warum Kurnaz bei Nacht und Nebel das Haus verlässt, ohne sich von Mutter und Vater zu verabschieden, warum das Ticket mit der Kreditkarte eines nachrichtendienstlich bekannten Islamisten gekauft wird, darauf gibt Kurnaz keine überzeugenden Antworten, wie überhaupt seine muslimische Version der Saulus-Paulus-Geschichte einigermaßen lückenhaft und wunderlich bleibt.“

Unabhängig davon, was in Guantánamo vonstatten geht und was Murat Kurnaz dort widerfahren ist, erfüllen seine Erzählungen in Deutschland vor allem einen Zweck: den nämlich, die antiamerikanischen Ressentiments einmal mehr ungehemmt von der Leine lassen und sie dabei mit den Weihen der Menschenrechte versehen zu können. Bisweilen scheut man dabei, wie so oft, auch die Parallelisierung der Vereinigten Staaten mit dem nationalsozialistischen Deutschland nicht – und dafür ist jeder Kronzeuge stets willkommen. Handelt es sich bei der von kaum einem Zweifel getrübten Kolportage von Kurnaz’ Erzählungen also letztlich „um einen selbst gebrauten Balsam für die deutsche Seele, mit dem die deutsche Öffentlichkeit dazu ermutigt werden soll, künstliche Analogien zwischen völlig verschiedenen historischen Ereignissen zu ziehen und dadurch das Ausmaß der Verbrechen zu verkleinern, denen Deutschland seinen traurigen Ruhm verdankt?“, fragt John Rosenthal in einem Beitrag für World Politics Review, in dem er der Frage nachgeht, wie Murat Kurnaz hierzulande zu einem gefragten Star werden konnte, warum das in elementarem Widerspruch zur journalistischen Sorgfaltspflicht steht und welche Funktion der Hype um den in Bremen geborenen Türken erfüllt, der gerne auch mal „mehr als die Wahrheit“ erzählt. Lizas Welt hat Rosenthals Text ins Deutsche übersetzt.


John Rosenthal

Geschichten aus Guantánamo: Murat Kurnaz in den deutschen Medien


Deutschland hat einen neuen Superstar. Mit der Veröffentlichung seines Buches Fünf Jahre meines Lebens: Ein Bericht aus Guantánamo kam der ehemalige Guantánamo-Häftling Murat Kurnaz in alle deutschen Medien. Bereits vor dem offiziellen Erscheinen des Buches am 23. April dieses Jahres gab es ein Feature auf der Website des populären Wochenmagazins Stern, eine einfühlsame Besprechung bei Spiegel-Online sowie Berichte der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ARD und ZDF mit dem Starautor höchstselbst in der Hauptrolle. Rasch folgten begeisterte Rezensionen in allen führenden deutschen Zeitungen. Angesichts dieses Trommelfeuers verwundert es wenig, dass Kurnaz’ Buch – an dem der deutsche Journalist und Gelegenheitsschriftsteller Helmut Kuhn als Co-Autor mitwirkte – nur zwei Wochen nach seinem Erscheinen bis auf den 14. Platz der Sachbuch-Bestsellerliste des Spiegel emporgeschnellt war.

Aber ist es auch ein Sachbuch? Einige grundlegende Fakten über Kurnaz’ Weg sind unumstritten. Nur drei Wochen nach den Angriffen des 11. September, am 3. Oktober 2001, flog der 19 Jahre alte gebürtige Bremer von Frankfurt aus nach Karachi in Pakistan. Kurnaz, der unter den Einfluss der fundamentalistischen Tablighi Jamaat-Bewegung geraten war, behauptete, er habe seine Reise nach Pakistan lediglich zum Zwecke des Koranstudiums unternommen. Angesichts des auf den ersten Blick verdächtigen Timings betonte er, im benachbarten Afghanistan habe es zum Zeitpunkt seiner Abreise noch keinen Krieg gegeben. Dieser Punkt wurde in den deutschen Medien oft unkommentiert wiederholt, obwohl schon ein flüchtiger Blick auf die seinerzeitigen Presseberichte genügt hätte, um sich daran zu erinnern, dass Sympathisanten der Taliban angesichts der bevorstehenden, von den USA angeführten Intervention bereits Ende September 2001 nach dem Djihad riefen (siehe zum Beispiel den Bericht des Telegraph über eine Massendemonstration in Peshawar, einer Hochburg der Islamisten in der Nähe der afghanischen Grenze, die Kurnaz bekanntlich bereist hatte).

Am 7. Oktober begannen Amerikaner und Briten mit Luftschlägen gegen Ziele in Afghanistan. Mitte November verhafteten pakistanische Sicherheitskräfte Kurnaz im Rahmen einer Überprüfung von Passagieren eines Reisebusses in der Nähe von Peshawar. Die Pakistaner übergaben Kurnaz den amerikanischen Militärbehörden, die ihn als einen zu Al-Qaida gehörigen oder Al-Qaida verbundenen Kämpfer festhielten. Im Januar 2002 wurde Kurnaz von einer amerikanischen Militärbasis in Afghanistan ins neu erbaute Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba überstellt.

Zunächst – und das heißt: für mehrere Jahre nach seiner Festnahme – weckte Kurnaz’ Schicksal wenig Interesse bei den deutschen Behörden. Die Gleichgültigkeit der rot-grünen Koalitionsregierung ist nun jedoch Gegenstand einer Kontroverse in Deutschland, obwohl sie angesichts anhaltender Archaismen im deutschen Staatsbürgerschaftsrecht eigentlich wenig Beachtung verdient. Wie Zehntausende anderer Menschen türkischer Herkunft, die in Deutschland geboren wurden und dort leben, besitzt Murat Kurnaz nicht die deutsche Staatsangehörigkeit. Da er türkischer Staatsbürger war, schienen die deutschen Behörden beschlossen zu haben, dass er das Problem der Türkei ist. Sie hatten darüber hinaus einen weiteren Beweggrund für diese Haltung: Angesichts einer Reihe von Erkenntnissen über Kurnaz’ Verbindungen zur extremistischen islamischen Szene in Deutschland stufte das Bundeskriminalamt (BKA) Kurnaz als Sicherheitsrisiko ein (siehe dazu auch das BKA-Dossier zu Murat Kurnaz).

Im August 2006 wurde Kurnaz – Berichten zufolge nach der direkten Intervention der neuen deutschen Kanzlerin Angela Merkel zu seinen Gunsten – aus Guantánamo entlassen und nach Deutschland zurückgeschickt. Die Bereitschaft der amerikanischen Regierung, ihn freizulassen, wird in weiten Teilen der deutschen Medien als Beweis für seine „Unschuld“ gewertet. Und tatsächlich wird allgemein geltend gemacht, die amerikanischen Behörden hätten Kurnaz bereits 2002 von jedem Verdacht freigesprochen, Verbindungen zum Terrorismus zu haben. Dieser Behauptung steht jedoch in offenem Widerspruch zu einer Entscheidung des Combatant Status Review Tribunal (Tribunal zur Überprüfung des Kombattantenstatus, CSRT) aus dem Jahre 2004, das auf der Grundlage sowohl von geheimen als auch von öffentlichen Unterlagen die Einschätzung aufrecht erhielt, dass Kurnaz ein „feindlicher Kombattant“ mit Verbindungen zu Al-Qaida ist.

Es ist jedoch klar, dass die Faszination, die Kurnaz auf die deutschen Medien ausübt, nicht aus den Fakten seines Falls resultiert, sondern vielmehr aus seinen Folter- und Missbrauchsvorwürfen gegen die Vereinigten Staaten, die jedoch immer skandalöser und immer weniger plausibel werden. Die unhinterfragte Wiederholung dieser Gräuelgeschichten durch die deutschen Medien – wie auch ihre unhinterfragte Wiederholung entsprechender Behauptungen durch das angebliche „Justizopfer“ Khaled el-Masri (Foto) – veranschaulicht das Klima des Hasses und der Missgunst gegenüber den USA, das derzeit in der deutschen Öffentlichkeit herrscht.

Behauptungen, er sei von seinen amerikanischen Fängern geschlagen und Elektroschocks unterworfen worden, gehören genauso zu Kurnaz’ Repertoire wie seine Beschwerden über angebliche Schändungen des Koran. Aber seine Anklagen umfassen noch weit einfallsreichere Dinge, wie etwa die Behauptung, zur regulären Praxis des medizinischen Personals der Amerikaner in Guantánamo habe es gehört, Inhaftierten gesunde Körperteile zu amputieren. In einem Fernsehbericht, der erstmals am 19. April von Radio Bremen ausgestrahlt wurde, erklärte Kurnaz: „Fast jedes Mal, wenn jemand zur Krankenstation musste und mehrere Tage nicht zurückgekommen ist, kam er mit irgendeinem Teil seines Körpers weniger wieder. Das habe ich mit eigenen Augen gesehen, dass irgendwelche Nachbarn von mir zur Krankenstation gebracht wurden, irgendwann wiederkamen und denen was amputiert wurde. Obwohl sie nicht krank gewesen sind, obwohl das nicht nötig gewesen ist. Gesunde Finger zum Beispiel.“

Kurnaz wiederholt die gleiche Beschuldigung in seinem Buch, wobei die Körperteile dort seltsamerweise größer und wichtiger werden und sogar von Extremitäten die Rede ist. Kurnaz zufolge haben amerikanische Ärzte einem saudischen Häftling beide Beine amputiert, bevor sie ihn mit bandagierten Stümpfen, aus denen Blut und Eiter tropften, in seinen „Käfig“ zurückschickten. Charakteristisch für die deutsche Rezeption des Buches Fünf Jahre meines Lebens ist eine Besprechung von Yassin Musharbash im Spiegel, in der diese von Kurnaz erzählte Geschichte voller Abscheu wiedergegeben wird – jedoch ohne den leisesten Hinweis, dass sie möglicherweise einer Überprüfung bedarf. „Verzweifelt versucht der Mann, auf den Toiletteneimer zu klettern“, schreibt Musharbash, der dabei in Kurnaz’ Rolle als Erzähler schlüpft, „doch die Wärter verprügeln ihn, statt ihm zu helfen.“

In einem Bericht, den das ZDF-Nachrichtenmagazin Aspekte am 20. April sendete, behauptete Kurnaz, es habe in Guantánamo „alle Arten von Folter gegeben, die man sich vorstellen kann, und sogar solche, die man sich nicht vorstellen kann. Es gab auch Menschen, die an der Folter starben“. Er gab zudem an, Zeuge geworden zu sein, wie „ein Mann, der über hundert Jahre alt war“, von einem Wärter geschlagen wurde.

Diese Behauptungen verdienen an sich keine besondere Beachtung. Es ist gängige Praxis bei früheren Guantánamo-Häftlingen, wüste Beschuldigungen über die Bedingungen ihrer Gefangenschaft zu verbreiten – auch wenn Kurnaz’ Vorwürfe vielleicht noch ein bisschen wilder sind als die anderer ehemaliger Häftlinge. Bemerkenswert ist hingegen der vollständige Verzicht deutscher Medien auf kritische Distanz gegenüber Kurnaz’ Haftgeschichten. Der Eifer, mit dem Musharbash in seiner Spiegel-Besprechung Kurnaz’ Rolle als Erzähler einnimmt, ist in diesem Zusammenhang symptomatisch. Die Identifikation mit Kurnaz ist in einem Bericht des Stern über Fünf Jahre meines Lebens sogar noch vollständiger – was kaum überrascht, denn es ist faktisch das Nachwort des Buches, verfasst von den Stern-Reportern Uli Rauss und Oliver Schröm. Der Untertitel von Musharbashs Beitrag lautet „Schläge, Amputationen, Folter – mehr als fünf Jahre lebte Murat Kurnaz in einer Umgebung, in der Qualen Alltag waren“ – als ob all dies bewiesene Tatsachen wären. Musharbash jedoch beteuert, sie seien es – unter Berufung auf: Rauss und Schröm.

Auch in den Fernsehberichten nehmen die Reporter eine aktive Rolle dabei ein, den Horror, den Kurnaz erlitten haben soll, nachzuerzählen. Wie ein griechischer Chor ergänzen und vervollständigen sie den Diskurs des Helden des Stückes und verleihen seiner Version der Ereignisse dadurch scheinbar eine transzendente Aura der Wahrhaftigkeit. Im Bericht von Radio Bremen beispielsweise schildern Kurnaz und Reporter Rainer Kahrs gemeinsam die angeblichen Umstände der Einzelhaft in Guantánamo:
Kurnaz: Es ist extrem dunkel. Absolut kein Licht. Man kann gar nichts sehen. Man sieht nie Tageslicht. Und auch kein künstliches Licht. [...]

Kahrs
: Am besten war Schlafen, erzählt Kurnaz – gar nicht so einfach in der Zelle. Kaum war er weggenickt, schlugen oft die Wärter gegen die Tür. Und oben über dem Bett blies durch ein enges Loch eine laut dröhnende Klimaanlage eiskalten Wind in die Zelle, rund um die Uhr.

Kurnaz
: Ich hatte eine Shorts. Sonst nichts. [...] Dann gab’s auch Zeiten, wo wir mal in Isolationshaft gewesen sind, wo wir Hose und T-Shirt behalten durften. Dann haben sie uns meistens mit Hitze gefoltert.
Kahrs erzählt im Indikativ, erneut so, als ob Kurnaz’ Behauptungen unhinterfragbare Fakten wären. (Gegen Ende des Berichts fragt Kahrs Kurnaz nichtsdestotrotz: „Ist das alles wahr?“ Kurnaz antwortet, wobei dem Interviewer die unbeabsichtigte Ironie nicht aufgefallen zu sein scheint: „Natürlich ist das alles wahr. Das ist alles nur die Wahrheit und auch sehr viel, wovon nie jemand etwas gewusst hat. Es ist einfach mehr als nur die Wahrheit.“)

Die Technik des „griechischen Chors“ kommt im Aspekte-Beitrag des ZDF noch besser zum Ausdruck; sie wird dort sozusagen perfektioniert. Die Aspekte-Moderatorin Luzia Braun schafft zunächst die Voraussetzungen, indem sie Kurnaz’ Erfahrungen in amerikanischer Gefangenschaft als eine Art „Martyrium“ beschreibt und Kurnaz als „Opfer von Folter und Willkür“ bezeichnet, das darüber hinaus „mit Terrorismus nichts zu tun hatte“. Anschließend übernimmt Reporterin Felicitas von Twickel, die die Geschichte vom „Martyrium“ mit dem angeblichen „Märtyrer“ teilt – der nicht nur sehr lebendig wirkt, sondern sogar bei bester Gesundheit zu sein scheint. Zur Steigerung der Dramatik werden einige nachgestellte Szenen aus Michael Winterbottoms Anti-Guantánamo-Film Der Weg nach Guantánamo in den Bericht eingestreut. In ihm wird – erzählt von „Kurnaz/von Twickel“ oder von „von Twickel/Kurnaz“ – beispielsweise behauptet, das „Foltern“ der Insassen in Einzelhaft habe im Entzug von Sauerstoff bestanden:
Von Twickel: Im Camp X-Ray ist nur Sitzen erlaubt. Steht der Gefangene auf oder spricht er mit einem Zellennachbarn, greift die Immediate Reaction Force ein, ein Schlägertrupp, der die Gefangenen nach den Prügeln wegschafft – in Isolationshaft. Tage, Wochen in einer Zelle, manchmal ohne ausreichend Sauerstoff...

Kurnaz
: ...dass man wirklich nur noch so viel Luft hat, dass man am Leben bleibt und die meiste Zeit sogar in Ohnmacht verbringen muss.
Der Bericht des ZDF macht sich noch nicht einmal die Mühe, zu präzisieren, dass „Kurnaz sagte“, er sei Tage oder Wochen ohne ausreichend Sauerstoff in Einzelhaft gewesen. Die Stimme Felicitas von Twickels verkündet einfach aus dem Off, es sei so gewesen.

Es ist bemerkenswert, dass kein hier zitiertes deutsches Medium versucht, seinen jeweiligen Bericht dadurch ins Gleichgewicht zu bringen, dass es einen Kommentar des US-Militärs zu Kurnaz’ Vorwürfen einholt. Ein Sprecher des Pentagon, dem World Politics Review Auszüge aus Kurnaz’ Behauptungen bei Radio Bremen und im ZDF vorlegte, wies diese als „frei erfunden“ zurück. „Wir sollten uns alle in Erinnerung rufen“, fuhr der Kommandeur der US-Navy Jeffrey D. Gordon fort und verwies auf das so genannte Manchester Manual, „dass Al-Qaida ihre Mitglieder in Trainingshandbüchern anstiftet, zu lügen und Missbrauchsvorwürfe zu erheben, um die Sympathie der Öffentlichkeit zu gewinnen, sei es zum Zwecke der eigenen Freilassung oder – nachdem sie entlassen worden sind – um das zu unterminieren, was wir in den Vereinigten Staaten tun“.

Es ist möglich, dass Kurnaz tatsächlich, wie Gordon andeutet, nach der Pfeife der Al-Qaida tanzt. Aber es ist genauso denkbar, dass er für die deutsche Galerie auftritt und sagt, was die deutschen Unterhändler und Interviewer – und offensichtlich auch ein bedeutender Teil der deutschen Öffentlichkeit – hören wollen. Wie sonst ließe sich der folgende bizarre Schatz aus dem ZDF-Beitrag Felicitas von Twickels erklären? „Perfide: Amerikanische Soldaten [in Guantánamo] drohen dem in Bremen geborenen Türken, das mit ihm zu machen, was die Nazis mit den Juden machten.“ Ist es wirklich glaubwürdig, dass einem amerikanischen Soldaten solche Sätze einfallen würden? Oder handelt es sich eher um einen selbst gebrauten Balsam für die deutsche Seele, mit dem die deutsche Öffentlichkeit dazu ermutigt werden soll, künstliche Analogien zwischen völlig verschiedenen historischen Ereignissen zu ziehen und dadurch das Ausmaß der Verbrechen zu verkleinern, denen Deutschland seinen traurigen Ruhm verdankt?

John Rosenthal ist freier Mitarbeiter der World Politics Review. Er schrieb ausführlich über die europäische Ablehnung des Gefangenenlagers Guantánamo in seinem bei The Claremont Review of Books erschienenen Beitrag „The Road to Condemning Guantanamo“.

* Update: Inzwischen – das heißt nach dem Erscheinen dieses Beitrags – wurde der entsprechende Wikipedia-Eintrag verändert; statt „Konzentrationslager“ heißt es dort nun „Gefangenenlager“. Die Versionsunterschiede sind dokumentiert.

26.6.07

Some things never change

Nachdem die Hamas den Gazastreifen erobert und ihrem Diktat unterworfen hat, überrascht es wenig, dass der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert, der jordanische König Abdullah II. und der ägyptische Präsident Hosni Mubarak nun bei einem Treffen vereinbart haben, ganz auf die Fatah zu setzen. Denn auf den ersten Blick erscheint dieser Schritt folgerichtig und alternativlos. Doch dabei gerät allzu leicht in Vergessenheit, wofür die Fatah in der Vergangenheit meist stand und wie sie operierte. „Die Fatah zu stärken ist, als ob man in die Titanic investieren würde“, befand daher Michael B. Oren, der noch einmal wesentliche Fakten rekapitulierte: „Seit ihrer Bildung im so genannten Osloer Abkommen 1993 hat die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) mehr internationale Zuwendungen erhalten als jede andere Instanz in der modernen Geschichte – pro Kopf gerechnet sogar mehr als die europäischen Staaten im Marshallplan. Der Löwenanteil dieses Vermögens sickerte auf die Privatkonten der Fatah-Führer oder wurde dazu verwendet, die Kommandeure von 16 halb eigenständigen Milizen zu entlohnen. Die PA hat zudem etwa 60.000 uniformierte Bewaffnete auf ihrer Gehaltsliste; damit hat die Westbank, gemessen an der Bevölkerungszahl, den höchsten Prozentsatz an Polizisten.“ Oren erinnerte auch daran, dass die Fatah längst nicht so säkular ist, wie weithin angenommen wird: „Die Organisation gestaltete sich in den 1990er Jahren zur islamischen Bewegung um und bezog dabei das Lexikon des Djihad mit ein. Hunderte Moscheen wurden mit öffentlichen Mitteln gebaut, und Imame wurden eingestellt, um die Botschaft des Märtyrertums und den Hass gegen Christen und Juden zu verbreiten. [...] Ironischerweise legitimierte die Islamisierung der Fatah die Hamas und verstärkte die Kader religiöser Extremisten, die sich nun der Autorität der Organisation widersetzen.“

Bret Stephens befand im Wall Street Journal, der Traum namens „Palästina“ sei definitiv ausgeträumt: „Egal wie viel diplomatischer, militärischer und finanzieller Sauerstoff in Mahmud Abbas’ PA gepumpt wird: Es ist Sauerstoff, der in eine Leiche fließt. Palästina war stets ein fiktiver Ort. [...] Die Israelis konnten ihren Staat halten, weil sie in der Lage waren, die politischen, militärischen und wirtschaftlichen Institutionen zu entwickeln, die ein Staat zum Überleben benötigt, angefangen mit seinem Gewaltmonopol. In ihren fast 14 Jahren als eigenständige Instanz hat die PA all dies nicht vermocht, obwohl sie Empfängerin beispielloser internationaler Kulanz und Freigiebigkeit war. [...] ‚Palästina’, wie wir es heute kennen, wird zu dem zurückkehren, was es war – ein Schattenland zwischen Israel und seinen Nachbarn –, und auch die Palästinenser, wie wir sie heute kennen, werden zu dem zurückkehren, was sie waren: Araber. Ob es ein besseres Resultat hätte geben können, darüber kann man nur spekulieren. Aber der Traum, der einmal Palästina hieß, ist endgültig tot.“

David A. Harris wiederum, der Direktor des American Jewish Committee (AJC), stellte in einem Beitrag für das Weblog der Jerusalem Post nicht zuletzt auf die gewohnten Reaktionen ab, die dem palästinensischen Bürgerkrieg folgten: „Es ist bizarr: Palästinenser massakrieren sich gegenseitig zu Dutzenden – übrigens kann man sich gut vorstellen, wie das Massaker aussähe, wenn Juden die nächsten Ziele wären –, und Israel steht im Zentrum der Schuldzuweisungen. [...] Was kommt nun als nächstes im Plan Israels für die Region, folgt man den Experten? Die Organisierung der Machtübernahme im Libanon durch die Hizbollah?“ Gaza hätte „nicht den Bach hinuntergehen müssen“, erinnerte er, doch Naivität und ideologische Verblendung hätten dazu geführt, dass die Hamas von den internationalen Akteuren auch nach der Wahl zur Regierungspartei nicht fallen gelassen wurde. Es bleibe letztlich abzuwarten, ob die von der Fatah kontrollierte Westbank ein Vorbild für Veränderungen zum Besseren sein kann. Bernd Dahlenburg von Honest Reporting (deutsch) hat Harris’ Text für Lizas Welt ins Deutsche übersetzt.


David A. Harris

Gazas Niedergang: Israels Schuld?

Weblog der Jerusalem Post, 19. Juni 2007

Die größte Nachrichtenstory im Nahen Osten war dieser Tage die Machtübernahme der Hamas im Gazastreifen nach den Kämpfen zwischen der Fatah und der vom Iran unterstützten Hamas. Einige behaupten nun, es sei eine Zweistaatenlösung erzielt worden – anstelle Israels auf der einen und Palästinas auf der anderen Seite sei es nun jedoch der von der Hamas beherrschte Gazastreifen und die von der Fatah dominierte Westbank. In den letzten Tagen wurde die Welt Zeuge von exekutionsartigen Morden, der Verstümmelung von Körpern, Schießereien in Krankenhäusern, medizinischem Personal, das von seinen Arbeitsplätzen gewaltsam vertrieben wurde, Krankenwagen, die in Schusswechsel gerieten, Geistlichen, die vor ihren Gotteshäusern getötet wurden, und Männern, die von Hochhausdächern geworfen wurden. Dies alles ist das Werk von Bewaffneten der Hamas und der Fatah.

Dennoch gibt es Beobachter, die – nicht zum ersten Mal – darauf bestehen, auf diese Blutbäder und das Chaos ihre eigene ideologische Schablone anzulegen. Und der Schuldige ist? Den Briefumschlag, bitte. Wer hätte das gedacht? Niemand anderes als Israel! Und wer, bitteschön, ist zu diesem Schluss gekommen? Unter anderem einige jener jüdischen Gruppen, die Fakten ihrer vorgefertigten Meinung anpassen statt umgekehrt. Während eine Gruppe eine Analyse mit dem Titel „Ein Hamas-geführter Gazastreifen: Wir können uns bei uns selbst bedanken“ in Umlauf brachte, erklärte eine andere, dass „der Triumph der Hamas das Ziel der israelischen Politik war“. Wieder andere mit der gleichen Haltung haben sich angeschlossen.

Es ist bizarr: Palästinenser massakrieren sich gegenseitig zu Dutzenden – übrigens kann man sich gut vorstellen, wie das Massaker aussähe, wenn Juden die nächsten Ziele wären –, und Israel steht im Zentrum der Schuldzuweisungen. Welch selbstgerechte Großzügigkeit von diesen Gruppen, wieder einmal die palästinensische Verantwortlichkeit auf die Schultern Israels abzuwälzen! Und wie eindrucksvoll einsichtig von diesen Betrachtern, zu folgern, dass den Interessen Israels am besten gedient ist, wenn es einen Stellvertreter des Iran gibt, der an seiner südlichen Flanke die Verantwortung trägt! Was kommt nun als nächstes im Plan Israels für die Region, folgt man diesen Experten? Die Organisierung der Machtübernahme im Libanon durch die Hizbollah?

Manche Beobachter sind derart reflexhaft konditioniert, auf jede Gewalt mit der Mutmaßung zu reagieren, Israel hätte zu ihr beigetragen – und sie deshalb vermeiden können –, dass sie sich einfach kein anderes Szenario vorstellen können. Dabei hätte Gaza nicht den Bach hinuntergehen müssen. Das war jedenfalls nicht so vorherbestimmt. Es hätte als Modell für ein friedliches palästinensisches nation-building dienen können. Nebenbei bemerkt wäre auf diese Weise Druck auf Israel erzeugt worden, den Rückzug aus einem großen Teil der Westbank zu beschleunigen.

Die EU, die USA, die Weltbank und andere waren eifrig dabei, beim Aufbau der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur zu helfen. Kim Howells, Staatsminister im britischen Außenministerium, merkte an, dass die Palästinenser pro Kopf die weltweit größten Empfänger von Unterstützung aus dem Ausland waren. Ein solches Wachstum und eine solche Entwicklung wären auch im Interesse Israels gewesen. Ist Israel etwa durch endemische Armut, wachsenden religiösen Fundamentalismus, schwärenden Hass und Anreize für einen waffenstarrenden Gazastreifen gedient? Der Punkt ist jedoch, dass die Hamas sich nicht geändert hat. Sie ist immer noch genau das, was sie war – eine vom Iran unterstützte Terrorgruppe, die nach der Zerstörung Israels und der Schaffung eines auf der Sharia basierenden islamischen Staates trachtet.

Diejenigen in Moskau, Ankara und Pretoria, die dachten, sie könnten die Haltung der Hamas ändern, waren erfolglos.

Diejenigen in Riad, die im März die Vereinbarung zwischen der Hamas und der Fatah vermittelten, waren taub gegenüber den Warnungen, dass sich die Waagschale zugunsten der Hamas geneigt habe und die Vereinbarung deshalb nicht funktionieren könne.

Diejenigen, die die Entwicklung der IRA als nachahmenswertes Modell ins Feld führten, begriffen nicht, dass die Analogie ungeeignet war – die IRA trachtete nie nach der Zerstörung von England, Wales und Schottland; ihr Fokus war allein auf die Zukunft Nordirlands gerichtet.

Diejenigen, die behaupteten, dass die Verantwortung für das Gesundheitswesen und die Kanalisation die Hamas mäßigen werde, wenn sie erst an der Macht sei, unterschätzten den ideologischen Eifer und die Entschlossenheit der Gruppe.

Diejenigen, die Israel aufriefen, mit der „demokratisch gewählten palästinensischen Regierung“ zu verhandeln, vernachlässigten die Tatsache, dass Israel schlecht beraten gewesen wäre, sich mit einer Gruppe zusammenzusetzen, die die drei Verhandlungsbedingungen der internationalen Gemeinschaft zurückwies. Die Palästinenser mögen das Recht gehabt haben, die Hamas zu wählen, nachdem der Gruppe (irrtümlich) erlaubt wurde, bei den Wahlen im Januar 2006 anzutreten. Dies jedoch legte Israel keine wechselseitige Verpflichtung auf, mit einer Terrororganisation zu verhandeln, die auf seine Zerstörung aus ist.

Diejenigen, die auf einen „Waffenstillstand“ der Hamas als etwas verwiesen, mit dem man arbeiten könne, ignorierten die Tatsache, dass es sich lediglich um eine Hudna (also eine temporäre Waffenruhe) handelte. Die Terrorgruppe benötigte Zeit, um mehr Waffen über die poröse ägyptische Grenze zu bringen, Waffenfabriken zu bauen, Tunnelsysteme zwischen Ägypten und dem Gazastreifen sowie zwischen letzterem und Israel zu bauen und sich so auf den nächsten Krieg vorzubereiten. Sie orientierte sich dabei an den sechs Jahre andauernden Bestrebungen der Hizbollah im Südlibanon nach Israels einseitigem Rückzug im Jahr 2000.

Und diejenigen in Oslo, die – als einzige westeuropäische Regierung – das Nahostquartett umgingen, Repräsentanten der Hamas in Norwegen begrüßten und direkte Zahlungen an die Hamas-geführte Regierung in Gaza leisteten, offenbarten nur, wie leichtgläubig und kurzsichtig ansonsten vernünftige Menschen sein können.

Der ideologische Refrain derer, die in skandalöser Weise Israel für die gegenwärtige Lage in Gaza verantwortlich machen, versucht die Welt in zwei Lager aufzuspalten – in die so genannte friedenssuchende Gemeinschaft, als deren Mitglieder sie sich selbst betrachten, und in die Kriegstreiber. Sie vermögen dabei schlicht nicht zu erkennen, dass es ein großes drittes Lager dazwischen gibt. Es ist gleichermaßen friedenssuchend. Es ist bereit zu weiteren territorialen Kompromissen mit den Palästinensern. Es will keine dauerhafte Herrschaft über die Palästinenser. Ihm ist die Besatzung unbehaglich, wie ungebeten sie 1967 auch gekommen sein mag. Es hat nichts mit jüdischen Messianisten gemein.

Dieses Lager lässt sich durch den Nebel ideologischer Glaubenssätze seine Urteilskraft nicht verdunkeln. Und es infantilisiert nicht herablassend die Palästinenser, indem es sie von aller Verantwortung für ihre eigenen Taten befreit. Vielmehr sieht es die palästinensische Community als eine, die noch immer unfähig ist, die nötige politische Mündigkeit aufzubringen, um ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln und über ein abschließendes Friedensabkommen zu verhandeln. Dieses Lager versteht daher Israels Bedürfnis nach Standhaftigkeit, wie es auch regelmäßig mögliche Veränderungen vor Ort sondiert. Ob es, was ich nur hoffen kann, im kommenden Zeitabschnitt eine solche Änderung gibt – wenn die von der Fatah kontrollierte Westbank die Chance ergreift, sich auf Israel einzulassen, spürbare Verbesserungen für das Leben der Bewohner zu bringen und dabei den in Gaza lebenden Menschen zu demonstrieren, dass sie wieder einmal einen selbstzerstörerischen Weg eingeschlagen haben –, bleibt abzuwarten.

Derweil traf Sigmund Freud den Nagel auf den Kopf, als er konstatierte: „Manchmal ist eine Zigarre nur eine Zigarre.“ Er könnte die jüngsten Ereignisse in Gaza beschrieben haben.

Hattips: barbarashm, Franklin D. Rosenfeld

23.6.07

Ehrenwerte Gesellschaft

Da passt doch mal wieder was wie der sprichwörtliche Arsch auf den Eimer: „Altkanzler Gerhard Schröder hat in Syrien die Ehrendoktorwürde der Universität von Damaskus entgegen genommen. Schröder (Foto) werde für seine positive Haltung gegenüber der arabischen Welt und für seinen Einsatz für den Dialog zwischen den Zivilisationen ausgezeichnet, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Sana. Die Auszeichnung wurde Schröder vom Direktor der Universität, Wael Mualla, übergeben. In seiner Dankesrede würdigte der frühere Bundeskanzler die guten Beziehungen zwischen Deutschland und Syrien im Bereich von Kultur und Wissenschaft. Zudem sicherte er dem Sana-Bericht zufolge Syrien Unterstützung bei den Bemühungen um eine Rückgabe der von Israel besetzten Golan-Höhen zu. Zum Abschluss der Veranstaltung signierte Schröder die arabische Übersetzung seines Buches ‚Meine Leben in der Politik’. Zudem traf er sich mit dem syrischen Präsidenten Bashar al Assad. Thema des Gesprächs waren laut Sana die derzeitige Situation in Nahost und die europäisch-arabischen Beziehungen.“

Diese Auszeichnung hat sich der Exkanzler redlichst verdient. Sie ist der Preis für jahrelange proarabische Lobbyarbeit, die mitnichten auf den „Bereich Kultur und Wissenschaft“ beschränkt ist, sondern sich vielmehr vor allem im ökonomischen Sektor abspielt. Als ein herausragendes Beispiel sei Schröders Kooperation mit dem Nah- und Mittelost-Verein e.V. (NUMOV) in Erinnerung gerufen, einer Organisation, die 1934 damit begann, die „deutschen Wirtschaftsinteressen in der Region“ zu bündeln und die Exportmöglichkeiten für deutsche Unternehmen in die Länder des ‚Orients’ zu verbessern“. Erster Vorsitzender des Vereins wurde Hermann Reyss, Siemens-Direktor und damit kein Leichtgewicht; die Aufzählung der weiteren Vorstandsmitglieder und ihrer Unternehmen – darunter auch Heinrich Gattineau und Hermann Waibel von der Judenmörderfirma IG Farben – liest sich wie ein Who’s who? der Vernichtungsprofiteure und Arisierungsgewinnler. Während all der Jahre ihres Bestehens unterhielt der NUMOV beste Beziehungen zu den übelsten antisemitischen Diktaturen, darunter – natürlich – auch Syrien. Schröder begleitete die Vereinigung auf mehreren Reisen in arabische Staaten, schloss dabei ein mögliches Embargo gegen den Iran stets offensiv aus und traf sich auch schon mal mit einem Holocaustleugner. Ende Mai letzten Jahres forderte er bei einer Ansprache vor dem Klub anlässlich seiner Ernennung zum Ehrenvorsitzenden ein Ende des Boykotts gegen die Hamas und Verhandlungen mit ihr, während er Israel vorwarf, einseitig Grenzen zu ziehen.

In den USA hat man all dies sehr genau registriert, wie auch Schröders enge Beziehung zu Vladimir Putin, seinen antiamerikanischen Wahlkampf und seine Ablehnung des Irak-Krieges. Dafür hat ihn kürzlich Tom Lantos, Abgeordneter des US-Repräsentantenhauses und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, in einer Rede scharf kritisiert. Der Shoa-Überlebende sagte zudem, Schröder und Frankreichs Präsident Chirac hätten offenbar den Beitrag der USA zur Befreiung Europas vom Nationalsozialismus vergessen, wenn sie nun die USA im Kampf gegen den Islamfaschismus im Stich ließen. Wie Recht Lantos hat, demonstriert die Ehrung Schröders in Damaskus: Sie ist ein offener Affront gegen die Vereinigten Staaten und gegen Israel. „Positive Haltung gegenüber der arabischen Welt“, „Einsatz für den Dialog zwischen den Zivilisationen“, „Unterstützung bei den Bemühungen um eine Rückgabe der von Israel besetzten Golan-Höhen“ – nichts fehlte bei der Feierstunde. Als Sahnehäubchen dann auch noch eine Autogrammstunde mit seinem eigenen, aus naheliegenden Gründen ins Arabische übersetzten Buch, und dann schnell ab zu Assad – nicht zum ersten Mal übrigens –, um mal ein bisschen die Modalitäten in Sachen Golan auszuloten und ansonsten die europäische Kollaborationspolitik auf Vordermann zu bringen.

So geht in Deutschland Nahostdiplomatie. Und deren ideologische Flankierung kommt dann nicht nur aus der Politik, sondern, mit Überzeugung vermittelt von den Medien, gerne auch aus dem akademischen Bereich, in dem sich das Expertentum bekanntlich konzentriert. Also sprach eine deutsche Poliologin, die an der Birzeit-Universität in der Westbank aktiv ist: „Die Hamas hat in ihren jüngeren Programmen deutlich gemacht, dass sie ein Gemeinwesen für die palästinensische Bevölkerung schaffen will, das auf Demokratie und Freiheit beruht und Chancen für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung bietet.“ Pure, lupenreine Ideologie mithin, die sie da im Stern verbreiten darf, aber es kommt noch besser: „Wir sollten fragen, ob Israel und die westlichen Staaten durch eine Verschärfung des Boykotts die Bevölkerung tatsächlich in das vollständige Elend, aber damit auch in die absolute Verzweiflung drängen wollen. Was sie dabei aber übersehen ist die schlichte Tatsache, dass dann keine politische Führung mehr in der Lage sein wird, irgendeine Kontrolle auszuüben. Ganz im Gegenteil, eben dann werden viele Menschen keinen Ausweg mehr sehen, als zur Gewalt zu greifen und zum Beispiel wieder Selbstmordanschläge zu verüben, zuallererst in Israel. Und das kann doch niemand wollen.“ Außer ihr selbst. Und zwar mit jener projektiven Energie, die nur überzeugte Antisemiten aufzubringen in der Lage sind. Dafür bekommt man dann auch schon mal Lehrstühle. Oder Ehrendoktorwürden.

Hattips: barbarashm, Jonny & Spirit of Entebbe

22.6.07

Dialektik des Terrors

Die Spiegel-Korrespondentin Ulrike Putz weiß es schon seit langem: „Der Westen stuft die Hamas als Terrororganisation ein – in Gaza glänzt sie durch sozialen Einsatz. Wichtige Hilfsorganisationen bescheinigen ihr beste Arbeit ohne jede Korruption – kein Wunder, dass die Partei viele Anhänger gewonnen hat“, schrieb sie Mitte Dezember letzten Jahres. Der Leistungskatalog der Gotteskriegertruppe – Märtyrerrenten für Familien, Wohlfahrtseinrichtungen, Suppenküchen, Kindergärten und Koranschulen – hatte sie offenbar überzeugt. Jedenfalls gebe es eigentlich nichts zu meckern, denn „ob die Hamas ihre Wohltätigkeitsarbeit bewusst dazu einsetzt, Sympathien in der Bevölkerung zu gewinnen“, sei schließlich „schwer zu sagen“. Und selbst wenn: Was wäre schon dabei? „Dass Parteien mit ihren Leistungen auf Stimmenfang gehen, gehört überall auf der Welt zu den politischen Spielregeln.“ Warum die Hamas gleichzeitig als antisemitischer Terrorverein agiert, vermochte sich Putz hingegen nicht zu erklären – weil sie den unmittelbaren Zusammenhang zwischen Fürsorge und Vernichtung nicht begreift.

Der Begriff des Rackets (Max Horkheimer) beschreibt am präzisesten die islamistischen Gruppen wie die Hamas, die Hizbollah oder den Islamischen Djihad, denn in ihm sind die Bedeutungen „Erpresserbande“, „Selbsthilfegruppe“ und „Wohltätigkeitsverein“ gleichermaßen aufgehoben. (1) Er kennzeichnet die Aufhebung aller Vermittlung – wie sie für die bürgerliche Gesellschaft typisch ist und sich im Privaten wie im Arbeitsprozess niederschlägt – zugunsten einer auf Totalität zielenden, unvermittelten Herrschaft, die auf persönlichen Abhängigkeiten und direktem Zwang beruht. „Jede Bande“, konstatiert Gerhard Scheit in seinem Buch Suicide Attack, „organisiert ein kleineres oder größeres Netzwerk der Wohlfahrt, das sich ökonomisch aus verschiedenen Quellen speist: von den Einnahmen aus dem Ölgeschäft der reicheren arabischen Staaten, von Spendengeldern der NGOs und GOs aus aller Welt und Beiträgen aus dem Topf der Uno- und EU-Organisationen. Auf dieser Basis verwirklichen die Rackets – von staatlichen Institutionen nicht gebunden – die Anforderungen, die heute aus der Sicht der Finanzmärkte und der Weltbank an eine Armutsregion gestellt werden: Sie verwalten die Armut und bleiben privat. Der schlankste Staat ist die Verbrecherbande.“ (2)

Was die Hamas dabei von nichtislamischen Banden unterscheidet, liegt auf der Hand: „Die NGOs der Vernichtung, die im arabischen und islamischen Raum in Aktion getreten sind, verbinden die Organisation der Wohlfahrt, die sie im kleinen gewähren können, mit dem Selbstopfer im Großen. Während etwa eine Organisation wie die Mafia von den Leuten Schutzgeld verlangt, verbunden mit Morddrohungen, die auch wahr gemacht werden, treiben die Selbstmordrackets umgekehrt in den Familien das Anrecht aufs Leben der Söhne und Töchter ein und zahlen hinterher dafür ganz beachtliche Summen, organisieren aber auch einen regelrechten, massenmedial wie traditionell vermittelten Kult, um den Verlust des Familienmitglieds wie einen Kredit zurückzuzahlen.“ (3) Es ist vor allem diese Form von Wohlfahrt, die für Anerkennung, ja für eine massenpsychologische Identifikation in der Bevölkerung sorgt und im Verbund mit Gewaltdrohungen und -exekutionen eine Herrschaftsbasis ergibt, wie sie sonst nur der Staat hat: „Durch ihre sozialen und ökonomischen Hilfsleistungen nistet sich die Macht der Rackets zwischen bürgerlicher Gesellschaft und Familie ein – und zwar immer dann, wenn der Staat von sich aus nicht imstande ist, die darin auseinanderstrebenden Kräfte zu integrieren.“ (4) Nicht zuletzt das hat der Hamas zu Beginn des Jahres 2006 ihren überwältigenden Wahlerfolg ermöglicht, und es verschafft ihr nun auch zunehmend Akzeptanz nach der Eroberung des Gazastreifens, wie noch zu zeigen sein wird.

Zivilbevölkerung als Volksgemeinschaft

Karitative Einrichtungen – private wie kirchliche und politische – sollen gewöhnlich die Lücken, die der Sozialstaat mit seinen Alimentierungen lässt, ein wenig füllen, unentgeltlich und „ehrenamtlich“, aber nicht ohne Anerkennung. „Vordem erwarteten sich die Barmherzigen ihren Lohn von Gott“, schreibt Gerhard Scheit in Der Jargon der Demokratie. „Für die bürgerlichen Wohltäter, die an ihn oder an die himmlische Belohnung nicht mehr glauben, bleibt davon nur das gesellschaftliche Ansehen, das man durch seine Taten erwirbt. Der kollektive Wohltäter jedoch, der auf religiöse und nationale Identität baut, fordert von seinen Schützlingen als Dank zumindest eine Gesinnung.“ (5) Unter diesem politischen Druck verlieren die Almosenempfänger auch noch den letzten Rest ihrer Autonomie; sie geraten in eine unmittelbare und personale Abhängigkeit. Im Unterschied zum Sozialstaat, der in der Regel eine relative Privatheit gewährt, ist es den Rackets eigen, „dass sie sich persönlich um den einzelnen kümmern, der einzelne seine Anonymität [...] aufgibt oder aufgeben muss. [...] Das Individuum findet sich wieder in einer sekundären Familie, in Beziehungen, die nicht durch Tausch konstituiert sind, sondern durch Gabe: durch einen Tausch also, dessen Gegenstände und Leistungen sich vom Individuum nicht loslösen – wie die Waren und die Arbeitskraft per Vertrag; die ihm vielmehr zuwachsen oder gleichsam anwachsen – wie die Privilegien und Pflichten den Individuen in vorkapitalistischen Verhältnissen. Wer in den Genuss solcher Wohltätigkeit kommt, fühlt sich so persönlich wie nur möglich, also mit Seele, Leib und Leben, gebraucht.“ (6)

Gemünzt auf den „islamistischen Marshallplan“ sieht das dann etwa so aus: „Das Wohnhaus wird von einem Bauunternehmen mittels Lohnarbeit errichtet. In die Finanzierung fließen Gelder einer Wohltätigkeitsorganisation ein, die auch sonst manches beitragen kann, dass die Bewohner finanziell über die Runden kommen. Dann schiebt der karitative Verband seine Raketenabschussrampen in den Hof des Hauses – und es wird in der Folge zerstört, um die Raketenangriffe, die von dort aus erfolgten, zu verhindern. Sogleich treten die barmherzigen Raketenbrüder wieder auf den Plan und zahlen nicht nur erhebliche Summen für den Wiederaufbau des Hauses, sondern auch einzelnen Bewohnern eine Prämie dafür, dass Familienmitglieder bei dem Angriff getötet wurden. Märtyrertum zahlt sich aus.“ (7) Das will hierzulande jedoch kaum einem Medienberichterstatter auffallen, weshalb bei jeder israelischen Verteidigungsaktion wort- und gestenreich „Verluste in der Zivilbevölkerung“ beklagt werden. Mit jener im Gazastreifen oder dem Libanon können sich die Deutschen dabei umso besser identifizieren, „als sie selbst doch immer davon profitiert haben, ihre Volksgemeinschaft hinterher als Zivilbevölkerung zu deklarieren. [...] Während aber Goebbels noch aus dem Volksempfänger brüllte, das Weltjudentum hetze die amerikanischen und englischen Bomber aufs deutsche Volk, wird in den Medien von heute in besonnen klingendem Tonfall von der Zivilbevölkerung gesprochen, um den jüdischen Staat, also den Juden unter den Staaten, durchaus zurückhaltend als Mörder unschuldiger Menschen ins Spiel zu bringen. [...] Als hätten Gruppen wie Hizbollah und Hamas die Trennung zwischen zivilen und militärischen Einrichtungen, die von den deutschen Freikorps, der SA und SS schon einmal beseitigt worden waren, nicht erneut aufgehoben; als wären die Terroristen nicht selber Zivilisten und der Djihad nicht eine ebenso zivile wie militärische Anstrengung: als wäre der Islam nicht eine Religion, die von vornherein eine solche Differenzierung der Gesellschaft unterlaufen hat.“ (8)

Doch die Frage, „warum diese Zivilbevölkerung sich denn zu ‚menschlichen Schutzschildern’ machen lässt und welche Verhältnisse es Hamas und Hizbollah ermöglichen, ihre Waffen in oder bei den Wohnhäusern, Schulen und Spitälern unterzubringen“, stellt kaum einer derjenigen, die sich betroffen geben, wenn die israelische Luftwaffe solche Depots unschädlich macht. Im Gegenteil kommt dann regelmäßig der „Demokratisierungsprozess“ ins Spiel, an dem sich die Hizbollah im Libanon und die Hamas im Gazastreifen beteiligten, der nun aber von Israel unterbrochen werde. „Und wirklich handelt es sich um eine Art Demokratisierung, soweit die Bandenherrschaft, die zunehmend den Alltag der Menschen zu umfassen vermag, auch noch von ihnen bejaht wird, und sie wird offenbar nicht zuletzt deshalb bejaht, weil die islamischen Terrorgruppen zugleich islamische Wohltätigkeitsorganisationen sind. Genau so dürften Islam und Islamismus, die auseinander zu dividieren das Geschäft der Islamexperten und Journalisten ist, auch im Allgemeinen zusammenhängen. Wohltätigkeit im Sinne Allahs und seines Propheten stellt nur die andere Seite jenes direkten Zwangs und jener offenen Gewalt dar, die eine wirklich direkte Demokratie durchherrschen. Organisationen wie Hamas und Hizbollah, die an den Grenzen Israels wohltätig sind, verkörpern unmittelbar diese Einheit von Terror um seiner selbst willen und Wohlfahrt um dieses Terrors willen. Mittelbar findet sie sich jedoch im ganzen Netz islamischer Hilfsorganisationen, das inzwischen als groß angelegte Akkumulation von finanziellen, technischen und personellen Ressourcen für die NGOs der Vernichtung betrachtet werden muss.“ (9)

Repressive Wohlfahrt

Es ist diese repressive Wohlfahrt, die mit dem Vernichtungsterror gegen Israel und dem ungehemmten und erbarmungslosen Bürgerkrieg einher geht. Die Erschießung von Fatah-Funktionären und die Ermordung politischer Gegner durch einen Wurf aus dem fünfzehnten Stock waren deshalb auch die Voraussetzung dafür, im Gazastreifen Friedhofsruhe entstehen zu lassen und sich an die Errichtung eines islamischen Staats zu machen. Ganz in diesem Sinne hat Mahmud Al-Sahar, ein Mitbegründer der Hamas, im Interview mit Ulrike Putz Klartext gesprochen: „Unsere Lebensweise und Tradition in Gaza ist islamisch. Der Handel, die Hochzeiten, die Scheidungen, alles ist islamisch. Wenn wir erst einmal einen Staat haben werden, wird es Freiheit für alle geben. [...] Wenn es in der ganzen arabischen Welt freie und faire Wahlen gäbe, würde die islamische Gesellschaftsform überall gewinnen. Denn der Islam ist gegen die Korruption, die Verweichlichung und den Materialismus, der die Gesellschaft in Europa und Amerika zerstört hat. Dort sind die Familien kaputt, es gibt Aids und Drogen. Solche Dinge gibt es hier nicht.“ Es ist dies ein Plädoyer für die Unterwerfung unter personale Abhängigkeiten und gegen die Vermitteltheit gesellschaftlicher Verhältnisse, gegen selbstbewusste Individualität, gegen den Zusammenhang zwischen Erkenntnis und Interesse und gegen Glück und Genuss. Es ist ein antisemitisches Plädoyer und eines wider die Emanzipation des Individuums. Und es ist deshalb eine Drohung, wie auch Al-Sahars Mitstreiter Ahmed Yousef, Berater des von Abbas geschassten Premierministers Haniya, bekräftigt: „Unser erklärtes Ziel nach dem Gewinn der Wahlen war es, Reformen durchzuführen, die Korruption zu beenden und Wohlstand zu schaffen. Unser Fokus liegt einzig auf den Rechten der Palästinenser und guter Regierungsarbeit. Wir hoffen nun, ein Klima des Friedens und der Ruhe in unserer Gemeinschaft erzeugen zu können, das zu einem Ende der internen Kämpfe führt.“

Das scheint vorerst gelungen, wie auch Ulrike Putz befindet: „Die Strände des Gaza-Streifens sind knackvoll. Vom Kleinkind bis zum Teenager toben Tausende Jungs und Mädchen im Mittelmeer, ihre Väter surfen auf Bodyboards durch die Brandung. Frauen in bodenlangen Gewändern stehen nabeltief im Wasser und halten ein Schwätzchen. Unter den Sonnenschirmen, die Gaza-Stadt wie eine kilometerlange bunte Borte säumen, sitzen Oma und Opa und rauchen Wasserpfeife. Die fliegenden Händler machen beste Geschäfte, der Jüngling, der Kamelreiten für die Kleinen anbietet, hebt ein Kind nach dem nächsten auf den Rücken seines Tieres: Gaza in Woche eins nach der Machtübernahme der Hamas.“ Klingt nach geradezu paradiesischen Zuständen: „‚Endlich leben wir in friedvollen Zeiten’, ruft uns ein Mann, dessen Familie sich am Strand zum Picknick versammelt hat, zu sich. Er ist Englischlehrer bei einer von der Uno betriebenen Grundschule in einem Vorort von Gaza-Stadt. Noch vor zwei Wochen sei das Leben in Gaza furchtbar gewesen, sagt er. ‚Wer immer wollte, konnte dir ein Bestechungsgeld abpressen, konnte dich einfach anhalten und dein Auto stehlen’, sagt Abu Bashar. Das sei nun vorbei. Sicherheit ist auch seine Antwort darauf, was der Machtwechsel in Gaza für die Menschen bedeutet. Sicherheit nicht nur vor Gewalt: ‚Als die ersten Supermärkte angefangen haben, die Lebensmittelpreise zu erhöhen, haben Kämpfer der Kassam-Milizen der Hamas bei den Besitzern vorgesprochen’, sagt Abu Bashar. Am nächsten Tag seien die Preise wieder normal gewesen.“ Das Bestechungsgeld, das gestohlene Auto, die Preissenkungen – all das war bisher schon Folge der Willkür der Rackets, und dass sich jetzt eines davon im Gazastreifen opferreich durchgesetzt hat, ändert daran nichts, im Gegenteil: Indem die Hamas gebietsweise einen Konkurrenten los geworden ist, kann sie nun – wie es der Wählerwille war – ungehindert ihr Regime entfalten, mit allen beschriebenen Konsequenzen.

Putz jedoch will das nicht so negativ sehen: „Das Bild, das sich in vielen Begegnungen von der Herrschaft der Hamas formt, ist auf den ersten Blick sehr klar. Die Hamas garantiert Sicherheit, sogar die ihrer Feinde, loben die Leute. Wo vorher Willkür und Angst herrschten, wache nun eine prinzipienstrenge, aber gerechte Organisation über das Wohlergehen der Bevölkerung.“ Gleichwohl hegt auch sie leichte Zweifel an der Eitelkeit des Sonnenscheins: „Dass aus Fürsorge schnell Überwachung werden kann, und dass es doch etwas seltsam ist, dass die Hamas anscheinend über alles und jeden im Gaza-Streifen Bescheid weiß, haben die Menschen nicht im Blick.“ Dass die Überwachung der Hamas – um nicht zu sagen: ihr Terror – nicht nur aus der Fürsorge resultieren kann, sondern untrennbar mit ihr zusammenhängt, geht der Spiegel-Korrespondentin nicht ein, und deshalb vermag sie sich auch die Omnipräsenz und die Allwissenheit der Gotteskriegerbande nicht zu erklären. Daher bleibt ihr nur ein achselzuckendes „Die Einwohner Gazas sind entschlossen, das Heute zu genießen. Wer weiß, was morgen ist.“ Diejenigen, die es zumindest ahnten, haben den Gazastreifen bereits in Scharen verlassen. Dass die Hamas laut einer Umfrage an Popularität eingebüßt hat, dürfte jedoch nur eine vorübergehende Erscheinung sein. Denn den „internen Machtkampf“ – laut Erhebung das für die Palästinenser drängendste Problem – hat sie im Gazastreifen gewonnen, und auch den derzeit zweitwichtigsten Komplex, die Armut, geht sie auf ihre Weise an. Bleibt die drittplatzierte Sorge, die „israelische Besatzung“. Und die wird – das ist bekanntlich das erklärte Ziel der Gotteskrieger – so bald wie möglich wieder Vorrang haben. So geht die Dialektik aus Terror und Wohlfahrt.

Anmerkungen
(1) Vgl. Wolfgang Pohrt: Brothers in Crime. Die Menschen im Zeitalter ihrer Überflüssigkeit. Über die Herkunft von Gruppen, Cliquen, Banden, Rackets, Gangs, Berlin 1997.
(2) Gerhard Scheit: Suicide Attack. Zur Kritik der politischen Gewalt, Freiburg 2004, S. 433.
(3) Ebd.
(4) Gerhard Scheit: Jargon der Demokratie. Über den neuen Behemoth, Freiburg 2006, S. 58.
(5) Ebd., S. 60.
(6) Ebd., S. 61.
(7) Ebd., S. 55.
(8) Ebd., S. 56.
(9) Ebd., S. 56f.

Hattip: barbarashm

21.6.07

Blutsbrüderbäder

Man durfte gespannt sein, wie das Häuflein aufrechter Antiimperialisten auf den palästinensischen Bürgerkrieg im Allgemeinen und die Eroberung des Gazastreifens durch die Hamas im Besonderen reagieren würde. Und erwartungsgemäß hat es nicht lange gedauert, bis sich eine der bekannteren Gruppen zu Wort meldete: Die Antiimperialistische Koordination (AIK) in Wien veröffentlichte flugs ein Kommuniqué, das – wie immer – keine Fragen offen ließ. „Gaza: Wählerwille durchgesetzt“, war es beschlagzeilt, und gleich zu Beginn hieß es: „Die Machtübernahme der Hamas im Gazastreifen ist im Grunde nichts anderes als die Durchsetzung der Wahlergebnisse von vergangenem Jahr.“ Damit haben die Antiimps ausnahmsweise sogar Recht. Denn die Gotteskrieger haben tatsächlich nie einen Zweifel daran gelassen, was ihre Zwecke und Ziele sind. Dass man das hierzulande einfach nicht wahr haben will, dafür können sie nichts. Umso begrüßenswerter ist es deshalb, dass die österreichischen Freunde der Mörderbande noch einmal deutlich machen, was Sache ist: „Die übergroße Mehrheit des palästinensischen Volkes will für seine Selbstbestimmung kämpfen, die Besatzung abschütteln und den zionistischen Kolonialismus beenden. [...] Die Machtübernahme der Hamas [ist] günstig, denn sie und ihre Kämpfer sind als einzige fähig, der Besatzungsarmee den ihr gebührenden Empfang zu bereiten. Die Möglichkeiten des Widerstands im Gazastreifen, der federführend von der Hamas getragen wird, haben sich bereits in dem Abzug der israelischen Siedler im Sommer 2005 widergespiegelt. Und auch wenn Gaza nicht der Libanon ist – dass Israel besiegt werden kann, hat man im vergangenen Sommer gesehen.“

Nun formuliert es nicht gleich jeder Islamistenfreund so unverblümt wie die fünfte Kolonne der Hamas in Wien; manche Kämpfer wider den Zionismus suchen augenscheinlich noch nach einer medientauglicheren Möglichkeit, die Verantwortlichkeit für die Blutsbrüderbäder dem jüdischen Staat zuschlagen zu können. Und genau darum geht es ihnen, denn „die Leiden der palästinensischen Bevölkerung lassen sie kalt, soweit man nicht Israel für sie verantwortlich machen kann“, wie Karl Pfeifer befindet. Und daher gilt: „Die Fakten dürfen nicht die Argumentation stören. Das bedeutet: Israel muss als Unterdrücker präsentiert werden, der in Sünde geboren ist. Viele Tatsachen stören dabei nur.“ Welche das sind, historisch wie aktuell, und wer einen eher selektiven Umgang mit ihnen pflegt, analysiert Pfeifer in seinem nachfolgenden Beitrag.


Karl Pfeifer

Gleichgültige Antizionisten


Bereits vor knapp einem Monat habe ich in einem Beitrag auf die Schweiger in Österreich hingewiesen, die keinen noch so lächerlichen Anlass zur Dämonisierung und Verleumdung Israels auslassen, zum Blutbad im Gazastreifen aber konsequent schweigen. Die Leiden der palästinensischen Bevölkerung dort lassen sie kalt, soweit man nicht Israel für sie verantwortlich machen kann. Damit bestätigen sie neuerlich die intellektuelle Armut und die Heuchelei, die mit der antizionistischen Ideologie einhergehen. Einige dieser Antizionisten beteuern, alle Probleme des Nahen Ostens wären mit einem Schlag gelöst, wenn nur der jüdische Staat verschwände. Doch der Antizionismus hat auch etwas mit vielen anderen Ideologien gemeinsam: Die Fakten dürfen nicht die Argumentation stören. Das bedeutet: Israel muss als Unterdrücker präsentiert werden, der in Sünde geboren ist. Viele Tatsachen stören dabei nur – daher das Schweigen.

Augenzeugen bestätigten beispielsweise, dass Fatah-Anhänger vor den Augen ihrer Frauen und Kinder mit einer Kugel in den Kopf hingerichtet wurden. Andernorts wurden gefesselte Gefangene von Hochhäusern heruntergestürzt. Zudem gab es unbeschreibliche Misshandlungen, etwa bei Gefechten rund um einen Kindergarten in Khan Yunis. Hätte Israel auch nur einen kleinen Bruchteil solcher Grausamkeiten begangen, dann wären die antizionistischen Websites voll mit anklagenden Texten. Erinnern Sie sich noch, wie 2002 falsche Behauptungen über ein von der israelischen Armee in Jenin angeblich begangenes Massaker mit tausenden palästinensischen Toten in die Welt gesetzt wurden? Oder wie Israel bezichtigt wurde, den Irakkrieg zur Massenvertreibung von Palästinensern zu benutzen? Die damals eifrig solche Märchen verbreiteten, schweigen nun, wenn es offensichtlich wird, dass das palästinensische Leiden von anderen Palästinensern verursacht wurde. Nichts kann Antizionisten davon abhalten, weiter die alte und immer gleiche Propaganda zu verbreiten, die Palästinenser seien lediglich Opfer des Zionismus. Wenn Palästinenser andere Palästinenser unter Missachtung sämtlicher Kriegsregeln angreifen, dann wird das entweder ignoriert, oder Israel wird als Verantwortlicher präsentiert.

Als ich kürzlich im Internet nach einer Splittergruppe österreichischer Antizionisten suchte, stieß ich auf eine Religionssendung des Österreichischen Rundfunks (ORF), „Logos – Theologie und Leben“, die es als gottgefälliges Werk betrachtete, ausgerechnet den Kontakt zu jüdischen Antizionisten zu propagieren. Unter den ersten drei der Gruppen, deren Kontaktadresse veröffentlicht wurde, fand ich die deutsche Organisation Frauen in Schwarz. Wer diesen von Österreich 1 beworbenen Link anklickt, gelangt jedoch unversehens zu einer Erotikseite und zu Kontakten nicht gerade politischer Art, was möglicherweise gar nicht die Absicht des Radiosenders war, der so viel für Antizionisten übrig hat. Ö1 wirbt auch für die Friedensinitiative Frauen in Schwarz (Wien) Für Gerechtigkeit. Gegen Gewalt. Ich suchte und fand auf ihrer Website allerlei Aufrufe gegen Israel, doch kein einziges Wort zu den Ereignissen im Gazastreifen.

Auf einer anderen Internetseite entdeckte ich einen offenen Brief der erwähnten Frauen in Schwarz und der sich großspurig Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost nennende Kleinstgruppe an die Präsidentin des Österreichischen Nationalrates. In dem von Tina Salhi und Samuel Welber unterzeichneten Brief sind sämtliche antiisraelischen Stehsätze zu finden, und es darf auch nicht der folgende obligatorische Hinweis fehlen: „Die palästinensische Bevölkerung ist an dem, was in Europa Juden zugefügt wurde, völlig schuldlos, zahlt aber dafür den allerhöchsten Preis – den Verlust ihres Landes und ihrer Freiheit.“ Was mit realer Geschichte natürlich nichts zu tun hat: Ab 1936 und bis 1939 – als die britische Mandatsmacht die arabische Forderung zur Beschränkung der jüdischen Einwanderung akzeptierte – rebellierte ein bedeutender Teil der palästinensischen Araber. Die jüdische Gesellschaft war bereit, vor den Nationalsozialisten flüchtende Juden aufzunehmen, doch die Araber Palästinas unter der Führung des Mufti Hadj Amin el Husseini widersetzten sich. Der Mufti wurde im November 1941 bekanntlich von Adolf Hitler empfangen, dem er eröffnete, was die Araber zur deutschen Sache beizutragen willens und in der Lage seien und was sie sich als Gegenleistung erhofften. Dazu hieß es im amtlichen Protokoll: (1)
„Der Führer erwiderte, dass die grundsätzliche Einstellung Deutschlands zu diesen Fragen, wie das vom Mufti bereits selbst ausgesprochen sei, klar wäre. Deutschland trete für einen kompromisslosen Kampf gegen die Juden ein. Dazu gehört selbstverständlich auch der Kampf gegen die jüdische Heimstätte in Palästina, die nichts anderes sei als ein staatlicher Mittelpunkt für den destruktiven Einfluss der jüdischen Interessen. Deutschland wisse auch, dass die Behauptung, das Judentum übe die Rolle eines Wirtschaftspioniers in Palästina aus, eine Lüge sei. Dort arbeiten nur die Araber, nicht aber die Juden. Deutschland sei entschlossen, Zug um Zug eine europäische Nation nach der anderen zur Lösung des Judenproblems aufzufordern und sich im gegebenen Augenblick mit einem gleichen Appell auch an außereuropäische Völker zu wenden.“
Die „palästinensische Bevölkerung“ und ihre Führer hatten 1947 die Möglichkeit, einen eigenen Staat auf einem Teil des Territoriums des Mandatsgebietes zu gründen. Doch sie lehnten ab und übernahmen offen die Verantwortung für den Beginn der Kriegshandlungen. Jamal Husseini, der Wortführer des Obersten Arabischen Komitees, erklärte am 16. April 1948 gegenüber dem UN-Sicherheitsrat: „Die Vertreter der Jewish Agency sagte uns gestern, dass nicht sie die Angreifer wären, sondern dass die Araber die Kampfhandlungen aufgenommen hätten. Wir stritten das nicht ab. Wir erklärten vor der ganzen Welt, dass wir kämpfen werden.“ (2) Im Laufe des arabischen Versuches, den jüdischen Staat im Augenblick seiner Geburt durch Waffengewalt zu vernichten, flohen palästinensische Araber in großer Anzahl. Gleichzeitig flohen Juden in großer Zahl aus den arabischen Ländern oder wurden aus ihnen vertrieben, und die meisten von ihnen fanden eine neue Heimat in Israel.

Tina Salhi und Samuel Welber und mit ihnen viele andere Antizionisten fälschen die Geschichte, indem sie die Palästinenser lediglich als Opfer – und sogar als Opfer des Holocaust! – begreifen. Sie geben zwar vor, für sie Sympathie zu empfinden, doch nicht zuletzt durch ihr beharrliches Schweigen zu dem Blutbad im Gazastreifen wird ihr Motiv klar: Ihnen geht es nur darum, den Staat Israel für die triste Lage der Palästinenser verantwortlich zu machen. Doch für die Kultur der Rache, des Revanchismus und der Gewalt, die in der palästinensischen Gesellschaft schon viele Jahrzehnte herrscht, sind in erster Linie die Palästinenser selbst verantwortlich.

Anmerkungen
(1) Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik 1918-1941, Baden-Baden 1956, Ser D, Bd 8/2, S. 719f.
(2) Offizielle Berichte des Sicherheitsrates, S/Agenda/58, 16. April 1948, S. 19.

20.6.07

No risk, no fun

Es gab schon mal langweiligere Ferien vom Fußball als dieses Jahr. Zumindest ist die pflichtspielfreie Zeit bisher recht unterhaltsam. Der chronische Peter Neururer beispielsweise scheint dermaßen darüber verzweifelt, bei keinem Bundesligaklub ein Plätzchen als Trainer zu finden, dass er in seiner Not schon präkambrische Dopinggeschichten auftischt und sich dafür sogar vom ansonsten eher bedächtigen kicker verhöhnen lassen muss: „Mit Neururers ‚Enthüllungen’ von anno dazumal wird nur ein ‚Fußball-Sommerloch’ gefüllt.“ Auch nicht übel: Lothar Matthäus’ Rausschmiss bei Red Bull Salzburg, und das kurz nach der Meisterschaft. An mangelndem Selbstbewusstsein litt der deutsche Rekordnationalspieler noch nie („Ein Lothar Matthäus lässt sich nicht von seinem Körper besiegen, ein Lothar Matthäus entscheidet selbst über sein Schicksal“), und so versuchte er’s mal gegen seinen Chef, der ihn früher trainiert hatte. Aber Giovanni Trapattoni verwies ihn recht deutlich auf die Plätze; Matthäus musste gehen. Was die Verantwortlichen für die tschechische Eliteauswahl jetzt reitet, den Frankenbomber auf den Zettel zu schreiben, wird wohl ihr Geheimnis bleiben. Und schließlich wird vermeldet, Werder Bremen sei der beliebteste Verein der Bundesliga. „Hochgerechnet auf die Gesambevölkerung Deutschlands mögen 27,51 Millionen die Bremer“, berichtet die Welt. Da werden die Sozis aber blass: Die SPD mochten bei der letzten Bundestagswahl, ebenfalls hochgerechnet, nämlich nur 20,84 Millionen. Aber es kommt noch besser: „Außerdem ist Werder in Berlin sogar“ – wieso „sogar“? – „sympathischer als die heimische Hertha und hat die Zahl seiner bundesweiten Anhänger in den vergangenen fünf Jahren verdreifacht.“ Das hat nicht mal Dieter Bohlen geschafft.

Bliebe das Dauerthema, die Bayern. Die sind in der Beliebtheitsumfrage auf Platz drei gelandet, hinter Schalke. Aber dafür zum besten und bekanntesten Klub gewählt worden. Und darauf kommt es ja an, denn als Meister der Herzen geht man nicht mal in einen Briefkopf ein. Um die Ehrfurcht trotz einer desaströsen Saison noch ein bisschen nachhaltiger werden zu lassen, haben die Münchner nun respektabel eingekauft, sich alleine schon durch die Präsentation der teuren Neuen wieder in die Medien katapultiert und für reichlich internationalen Vorabglanz in der bescheidenen Hütte gesorgt: Luca Toni, Weltmeister! Franck Ribéry, Vizeweltmeister! Und dann noch vielseitige und -versprechende Kräfte wie Jansen, Sosa oder Schlaudraff. Nicht zu vergessen Zé Roberto, dessen Wiederverpflichtung der späten Einsicht folgte, ihn vor einem Jahr ohne Not ziehen lassen zu haben. Ob Miroslav Klose tatsächlich jetzt schon die Bremer verlässt, weil er dort im Moment der Unbeliebteste unter den ganzen Beliebten ist, weiß man hingegen nicht. Um Roy Makaay wäre es jedenfalls in jeder Hinsicht jammerschade, und eigentlich ist es auch nicht recht einzusehen, weshalb ein eingespielter und jahrelang ausgesprochen zuverlässiger Torjäger wie er nun dem kriselnden Klose weichen sollte.

Wie auch immer: „Risiko total!“, schlagzeilte der kicker. „Ottmar Hitzfeld und der Trainerstab haben da eine komplexe und komplizierte Aufgabe zu schultern. Denn das Gerangel um die elf Positionen, um die sich jeweils mindestens zwei Bewerber mühen, wird heftig. Allerdings weiß Hitzfeld mit Stars umzugehen.“ In der FAZ hingegen hegte Christian Eichler Zweifel: „Wäre der FC Bayern ein Formel-1-Auto, er bekäme nun einen neuen Motor; aber auch Getriebe, Heckflügel und Bremsen müssten mal nachgesehen werden. Und der Fahrer? Ottmar Hitzfeld, der Rückkehrer aus dem Ruhestand, muss beweisen, dass von ihm noch Begeisterungsfähigkeit ausgeht.“ Und das Weblog Volk ohne Raumdeckung meinte gar: So wird das nüscht. So viele Tore können Ribéry, Toni und meinetwegen auch Klose und der Große Zé vorne gar nicht schießen und vorbereiten wie Van Buyten, Lucio und Kahn hinten kassieren. Trotz zweier ‚Weltstars’ sind die Schlüsselpositionen – Tor, Innenverteidiger, der Sechser – beim Rekordeinkaufsmeister nach wie vor unzureichend besetzt.“ Ganz vorne wiederum sei die personifizierte Harmlosigkeit namens Santa Cruz aus unerfindlichen Gründen immer noch nicht aus dem Rennen: „Irgend jemand muss [Bayern-Manager] Hoeneß mal reinen Wein einschenken: Es gibt keine Stürmer in Paraguay. Noch nie hat es welche gegeben. Dieses Land ist das Waldhof Mannheim des Weltfußballs und bekannt für seine 10-Vorstopper-Taktik. Auch Valdez und ‚der Roque’ sind zweitklassige Vorstopper, die deshalb Stürmer spielen müssen.“

Möglicherweise kommt aber auch alles ganz anders und ein Minderjähriger groß raus, Toni Kroos (17) nämlich. „Auf der Suche nach einem Spielmacher sollte sich der FC Bayern vielleicht mal im eigenen Fußball-Internat umsehen“, urteilte jedenfalls Markus Lotter in der Welt. Und der hat als ehemaliger Bundesligaprofi des FC St. Pauli einen doch sehr geschulten Blick auf die Dinge. Also befand er: „Vielleicht ist Kroos, nein, hoffentlich ist Kroos der Grund für Bayern Münchens schwindendes Interesse an der Verpflichtung eines externen Spielmachers. Kroos hat alles: die Technik, die Übersicht, den klaren Kopf. Er ist halt noch ein bisschen jung – aber das waren Manchester Uniteds Wayne Rooney und Barcelonas Lionel Messi auch, als sie im Seniorenbereich debütierten.“ Bereits am Sonntag will Kroos den FC Bayern übrigens in Leverkusen zur Meisterschaft schießen – genauer gesagt dessen ältestes Juniorenteam, die U19. Und wenn er in der kommenden Spielzeit bei den Profis tatsächlich groß rauskommen sollte, hätte vor allem die Boulevardpresse eine sich geradezu aufdrängende Schlagzeile: „Toni & Toni“. Wenn das mal nichts ist.

Hattip: Laughing Ball

19.6.07

Welcome to Hamastan

Unbeirrt grüßt das Murmeltier täglich weiter: Nachdem die Hamas den Gazastreifen erstürmt, vermeintliche oder tatsächliche politische Gegner erschossen respektive von Hochhäusern gestoßen und sogar Arafats Friedensnobelpreis konfisziert, mithin also Fakten geschaffen hat, widmet sich die deutsche Medienlandschaft mehrheitlich wieder ganz der Frage, was Israels Anteil an dieser desaströsen Situation sein könnte. Und das mit dem gewohnten Engagement: Die notorische Ulrike Putz etwa hat auf Spiegel Online zwar Mühe, den Überblick zu behalten„Es ist in diesem Tagen schwierig, eine akkurate Einschätzungen der Lage in Gaza zu bekommen“ –, aber das liegt eher nicht an den Gotteskriegern: „Israel lässt keine ausländischen Medienvertreter in den abgeschotteten Landstrich hinein.“ Das ist fraglos misslich, denn „so bleiben nur das Telefon und die Augenzeugenberichte der Kollegen, mit denen man schon früher zusammengearbeitet hat und denen man vertraut“. Einen Dissens gebe es da jedoch nicht: „In einem sind sich alle einig, die nach mühsamem Herumtelefonieren zu erreichen sind: Die Situation im Gaza-Streifen hat sich nach den heftigen Kämpfen dieser Woche entschärft, die Bevölkerung kann aufatmen.“ Das bestätige auch der Journalist Safuat al-Khalut, laut Putz „kein glühender Hamas-Anhänger“: „Zum ersten mal seit Tagen können wir wieder auf die Straße gehen. Wenn die Hamas eins kann, dann Disziplin und Ordnung durchsetzen.“ John Ging, der Direktor des Hilfswerks der Vereinten Nationen für palästinensische Flüchtlinge UNRWA, konnte sich da nur anschließen: „Ein überwältigendes Gefühl der Erleichterung herrscht vor.“

Alles könnte also in bester Ordnung sein, gäbe es nicht ein Problem: „Was die Palästinenser im Gazastreifen umtreibt, ist die Reaktion, die die Machtübernahme des militärischen Flügels der Hamas am Mittelmeer nach sich ziehen wird.“ Keinesfalls dürfe es daher weitere Sanktionen geben, wird der „Uno-Experte“ zitiert, denn „die meisten Menschen hier wollen in Frieden leben, egal unter wem“. Und „wenn die Staatengemeinschaft wegen der Machtübernahme der Hamas nun noch einmal die Schraube“ anziehe, sei das „eine Kollektivstrafe“. Wie man überhaupt sagen müsse, findet Ulrike Putz, dass die „fast andauernde Schließung der Grenzübergänge seit dem Abzug der Israelis“ die palästinensische Bevölkerung „jeder Freiheit beraubt“ und „die Einstellung der Hilfszahlungen öffentliche Institutionen handlungsunfähig gemacht“ hätten. „Das hat dazu geführt, dass zivilisierte Menschen“ – die die Palästinenser zuvor offenbar stets gewesen sein müssen – „aufeinander losgehen“, stimmt ihr Gesprächspartner Ging zu. Und auch Kollege Khalut weiß, dass die Israelis nichts Gutes im Schilde führt: „Sie wollen uns belagern, uns endgültig isolieren.“ So weit zu Frau Putz und ihren „Augenzeugenberichten der Kollegen, mit denen man schon früher zusammengearbeitet hat und denen man vertraut“. Sie weiß halt, wo sie durchklingeln muss, um das zu erfahren, was sie schreiben will.

Auch für den DLF-Kommentator Marcel Pott ist der vermeintliche Boykott gegenüber der von der Hamas geführten palästinensischen Administration – der seinen Namen nicht verdient – schuld an den Eskalationen: „Die USA weigerten sich, die Koalitionsregierung anzuerkennen, Israel lehnte es ab, mit ihr zu sprechen, und die Europäer redeten zwar mit einzelnen Ministern, konnten sich aber nicht dazu durchringen, ihre ablehnende Haltung zu revidieren.“ Und das stärke – na klar – „jene Kräfte in der Hamas, die jeden politischen Kompromiss ablehnen“. Gibt es auch andere? Egal: „Als sie merkten, dass die Menschen in Gaza ihre Hoffnung auf ein Ende des Boykotts aufgaben, und Amerika al-Fatah gegen sie aufrüsten wollte, schlugen die al-Kassam-Brigaden los.“ Ein bisschen wie Robin Hood, auch wenn mancher die hehren Motive in Zweifel zu ziehen wagt: „Man vermutet“ – aber „man“ weiß es nicht genau –, „dass sie dabei von iranischen Spezialeinheiten und vielleicht“ – vielleicht aber auch nicht – „von al Qaida-Terroristen unterstützt wurden“.

Spielt alles jedoch ohnehin keine Rolle, denn wichtig ist etwas ganz anderes: „Was geschehen ist, zeigt, dass die Politik des Westens, Hamas zu isolieren, auf der ganzen Linie gescheitert ist.“ Denn: „Die Finanzsanktionen stürzten die Menschen noch tiefer ins Elend.“ Und das hatte Folgen: „Statt Hamas zu entmachten oder die Anerkennung Israels zu erzwingen, wuchs in der Bevölkerung die Verzweiflung und damit die Gewaltbereitschaft und der Hass gegen den Westen.“ Logische Konsequenz: „Wenn die Araber, der Westen und auch Israel in Gaza das Feld nicht dem Iran und den Terroristen von al Qaida überlassen wollen, muss Hamas in einen politischen Prozess eingebunden werden.“ Und da kann es nur einen geben: „Jetzt ist also zuallererst wieder der saudische König Abdallah gefragt.“ So hat jeder Pott seinen Deckel; ersatzweise tut es aber auch eine Kopfwindel. Da muss man nicht kleinlich sein.

Die taz wiederum ließ zwischenzeitlich gleich einen Autochthonen ran, der schon immer wusste, wo der Hammer hängt: Tarafa Baghajati, Mitbegründer und Sprachrohr der Initiative Muslimischer ÖsterreicherInnen (IMÖ). Der fand es zwar „traurig und zugleich beschämend, dass jetzt sogar gezielte innerpalästinensische Tötungen vollzogen werden“, doch die seien letztlich das „Ergebnis einer langfristigen Entwicklung“. Und zwar dieser: „Vor wenigen Tagen feierte Israel den 40. Jahrestag seines Sieges über seine arabischen Nachbarstaaten Ägypten, Syrien, Jordanien sowie die Palästinenser im Sechstagekrieg. Für die Palästinenser ist der 5. Juni 1967 hingegen al-Naksa, ein Tag der Trauer. Wörtlich übersetzt bedeutet al-Naksa in etwa ‚der Rückschlag, der kaum verkraftet werden kann’. Der Ausdruck spiegelt wider, dass es sich für die Araber nicht nur um eine militärische Niederlage handelte, sondern um ein Ereignis mit schwerwiegenden Folgen für die kommenden Generationen.“

Und das sei längst nicht der Anfang gewesen; dieser müsse vielmehr auf den Teilungsplan der Uno datiert werden, der Israel 1947 „über die Hälfte des Gebiets des historischen Palästina zusprach. In der Folge wurden ca. 800.000 Palästinenser in die umliegenden Nachbarländer vertrieben“. Dies in aller Kürze zur Geschichte der Gründung des jüdischen Staates; weitergehende Erkenntnisse muss man von Dutschkes Erben in der Berliner Kochstraße aber auch gar nicht erwarten. Oder doch? „Im Libanon hat die vielfältige Diskriminierung der Palästinenser, die von vielen Berufen ausgeschlossen sind und nicht einmal Grundbesitz erwerben dürfen, dazu geführt, dass sich die Flüchtlingslager zu Brutstätten militanter Extremisten wie der Fatah al-Islam entwickeln konnten. Wenn sich dieses Szenario jetzt im Gaza-Streifen wiederholt, wird Israel es eines Tages bereuen, auf die Hamas als stabilisierende Kraft verzichtet zu haben.“ Doch, doch: Der Mann meint das ernst.

Aber nicht nur in Deutschland liest man befremdliche Expertisen. Gabriel Schoenfeld zeigt in einem Beitrag für das Weblog des Commentary Magazine, dass auch andernorts Unsinn erzählt und Illusionen gepflegt werden. „Es ist natürlich vorstellbar – so wie alles vorstellbar ist –, dass die zu neuer Stärke gelangte Führung der Hamas den Weg Richtung Pragmatismus einschlagen wird; das ist es, was unserer eigenen, pragmatischen Logik folgt“, schreibt er. „Aber vielleicht operieren diese islamischen Radikalen einfach unter einem anderen logischen System“ – wie auch die Hizbollah im Libanon. Lizas Welt hat Schoenfelds Text aus dem Englischen übersetzt.


Gabriel Schoenfeld

Willkommen, Hamas!

Contentions (Weblog des Commentary Magazine), 15. Juni 2007


Geschichte wiederholt sich auf eine Art, aber nicht immer schreitet sie von der Tragödie zur Farce fort, wie es ein gebräuchliches Zitat von Karl Marx will. „Stille hat sich auf Gaza niedergelassen“, berichtete die New York Times heute früh. Im Zuge des vollständigen Rückzuges Israels im Jahre 2005 und des darauf folgenden Gerangels um die Macht zwischen der Hamas und der Fatah ist erstgenannte jetzt im Gazastreifen zur Macht gelangt. Was nun? Es gibt bereits Stimmen, die erklären: Wenn die Hamas die Hoffnungen der seit langem leidenden Einwohner Gazas erfüllen soll, wird sie unweigerlich gezwungen sein, ihre terroristische Taktik aufzugeben und einen pragmatischeren und realistischeren Umgang mit Israel und der restlichen Welt zu wählen.

Wie zum Beweis dafür gab es an diesem Morgen eine Meldung der Nachrichtenagentur Associated Press: „Die Hamas gelobte am Freitag, die Freilassung des entführten britischen Journalisten Alan Johnston sicherzustellen – ein Versprechen, das offenbar dazu bestimmt ist, die Welt da draußen nicht zu verprellen und gleichzeitig den bewaffneten Gruppen in Gaza deutlich zu machen, dass man beabsichtigt, die Kontrolle zu übernehmen.“ Der britische Minister für das Hochschulwesen, Bill Rammell, gab im Rahmen eines Israel-Besuchs zu Beginn der Woche zu Protokoll, er habe „weiter die Hoffnung, dass die Hamas oder zumindest einige ihrer Mitglieder sich noch mäßigen“. Der Jerusalem Post sagte er: „Ich glaube wirklich nicht, dass die Positionen der Hamas für immer in Stein gemeißelt sind.“

Mag sein. Aber was können wir aus der jüngsten Vergangenheit lernen?

Als sich Israel aus der Sicherheitszone zurückzog, die es im Südlibanon im Jahre 2000 eingerichtet hatte, habe es zahlreiche Prognosen gegeben, „dass die radikale Schiitengruppe Hizbollah, deren Kampfeinheiten unbarmherzig die israelischen Besatzungstruppen angegriffen haben, ihre militärischen Operationen nun beenden und sich künftig ausschließlich um die inneren Angelegenheiten des Libanon konzentrieren werde“, notierte der israelische Analyst Gal Luft 2003. Doch was geschah wirklich? Zunächst, schrieb Luft, habe die Hizbollah erklärt, ihr Ziel sei „die Befreiung des ganzen Landes Palästina und die Zerstörung der ‚zionistischen Entität’“. Dann habe sie die Kontrolle über die gesamte Pufferzone übernommen, die von Israel besetzt worden war, und sie „de facto in einen Staat im Staate“ verwandelt. „Hizbollahland“ taufte Luft dieses Gebiet, als er darauf hinwies, dass die Terrororganisation es geschafft habe, „einen beträchtlichen Vorrat an Waffen anzuhäufen, inklusive 10.000 Raketen, mit denen ein Viertel der israelischen Bevölkerung getroffen werden kann.“

Das war 2003. Drei Jahre später hatte die Hizbollah 20.000 Raketen, und ihre Verwüstungen zogen Israel und den Libanon in einem schweren und blutigen Krieg.

Wie sieht die Zukunft in Hamastan aus? Es ist natürlich vorstellbar – so wie alles vorstellbar ist –, dass die zu neuer Stärke gelangte Führung der Hamas den Weg in Richtung Pragmatismus einschlagen wird; das ist es, was unserer eigenen, pragmatischen Logik folgt. Aber vielleicht operieren diese islamischen Radikalen einfach unter einem anderen logischen System. Das Spektakel, bei dem die Verlierer die Kampf um die Macht im Gazastreifen – ihre palästinensischen Landsleute – von fünfzehnstöckigen Hochhäusern geworfen und in die Knie geschossen wurden, bevor sie einen Kopfschuss erhielten, legt jedenfalls nahe, dass es manchmal nicht nur die Geschichte ist, die sich im Kreis dreht, sondern genauso die Illusionen über sie.

Hattips: barbarashm, Spirit of Entebbe

17.6.07

Brosamen vom Herrentisch

Die deutsche Vergangenheitsbewältigung hat ihrer Erfolgsstory ein weiteres Kapitel hinzugefügt: Knapp sieben Jahre nach ihrer Gesetzwerdung stellte die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft die Zahlungen an NS-Zwangsarbeiter ein und feierte sich mit einem Abendessen der Kuratoriumsmitglieder in der Nähe des Brandenburger Tores sowie einem Festakt im Schloss Bellevue. „Es ist alles problemlos abgelaufen“, lobte der frühere deutsche Verhandlungsführer Otto Graf Lambsdorff (Foto) sich und die Arbeit der Einrichtung, während Bundeskanzlerin Angela Merkel bemerkte: „Es ist endlich gelungen, vielen ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern die versprochene humanitäre Unterstützung zukommen zu lassen.“ Die Kölner Projektgruppe Messelager teilte die allgemeine Zufriedenheit jedoch ganz und gar nicht: „Angesichts der vielen bisher von jeglichen Kompensationszahlungen ausgeschlossenen ehemaligen ZwangsarbeiterInnen spricht es den Opfern Hohn, wenn Vorstand und Kuratorium der Stiftung sich jetzt gegenseitig auf die Schulter klopfen und sich vom Bundespräsidenten für die Beendigung der Auszahlungen ehren lassen“, hieß es in der Erklärung „Zwangsarbeit verjährt nicht!“, die die Gruppe bei zwei Protestaktionen in Berlin verteilte.

Zwischen zehn und fünfzehn Millionen Menschen wurden während des Zweiten Weltkriegs von den Deutschen zur Arbeit gezwungen, und nahezu alle gesellschaftlichen und ökonomischen Einheiten im Deutschen Reich partizipierten an dieser unmittelbaren Ausbeutung und profitierten von ihr: Großunternehmen und der Mittelstand, die Kirchen und die Landwirtschaft, Verwaltungen und private Haushalte. „Wir suchen noch immer nach einer einzigen Firma, die keine Zwangsarbeiter beschäftigt hat“, machte der Historiker Ulrich Herbert die Dimensionen der Fronarbeit deutlich. Die Zwangsarbeiter waren vorwiegend Juden, Roma und Sinti, aus Osteuropa verschleppte Zivilisten und von dort stammende Kriegsgefangene; hinzu kamen Angehörige westeuropäischer Staaten wie etwa die so genannten Italienischen Militärinternierten, deutsche „Asoziale“ und Kommunisten. „Die Zuteilung der Arbeitskräfte wurde in der Regel vom Staat geregelt“, schrieb Stefan Weigand in einem Dossier der Wochenzeitung Jungle World: „Grob lässt sich die Zwangsarbeit in drei Kategorien unterteilen: Einsatz in der Landwirtschaft bzw. im Haushalt, Arbeit im Lager, Vernichtung durch Arbeit in den Konzentrationslagern. Die Behandlung orientierte sich an der ‚rassischen’ Hierarchie des NS – osteuropäische ‚Untermenschen’ und ‚Bolschewisten’ standen unter den Westeuropäern. Am untersten Ende der Skala fanden sich die Jüdinnen und Juden, deren Zwangsarbeit primär auf ihre Ermordung zielte.“

Jahrzehnte lang galt Zwangsarbeit hierzulande als allgemeine „Kriegsfolge“, die nur in Ausnahmefällen entschädigungspflichtig war. Zudem verhinderte das 1953 zwischen der Bundesrepublik und den vormaligen Feindstaaten ausgehandelte Londoner Schuldenabkommen die Geltendmachung von Ansprüchen an den bundesdeutschen Staat. Denn mit dieser Übereinkunft wurden die Reparationsfragen vertagt und an einen in ferner Zukunft zu schließenden Friedensvertrag gekoppelt. Klagen von Zwangsarbeitern vor deutschen Gerichten konnten so abgewiesen werden. Dabei existierten für die Opfer auf dem Papier gleich mehrere Rechtsansprüche auf Zahlungen, wie Weigand zeigte: „Zum einen staatliche wie individuelle Reparationsforderungen als völkerrechtlich begründeter Schadenersatzanspruch aufgrund des internationalen Verbots eines Angriffskrieges; daneben der Staatshaftungsanspruch gegen die BRD wegen völkerrechtswidriger Behandlung; das Recht auf Ersatz des vom Staat abverlangten unbezahlten Arbeitseinsatzes sowie auf Entschädigung wegen ‚Aufopferung für das gemeine Wohl’. Zudem hätten auch die deutschen Unternehmen wegen ungerechtfertigter Bereicherung ebenso wie für die Freiheitsberaubung und die Gesundheitsschäden zahlen müssen.“ Hinzu komme noch das Recht auf Lohnnachzahlung, nach einem Gutachten des Wirtschaftshistorikers Thomas Kuczynski rund 180 Milliarden Mark. Der Status als Menschheitsverbrechen garantiere dabei die Unverjährbarkeit der Ansprüche. Die Praxis sah jedoch gänzlich anders aus, insbesondere für die Überlebenden des Nationalsozialismus in Osteuropa.

Der erste Zwangsarbeiter, der eine Zahlung gerichtlich einzuklagen versuchte, war Norbert Wollheim, der im IG Farben-Werk Buna-Monowitz (Auschwitz III) Fronarbeit verrichten musste. 1950 wurde sein Musterprozess gegen den in Abwicklung befindlichen Konzern eröffnet. In erster Instanz sprach das Gericht Wollheim 10.000 Mark Schadenersatz zu, doch die IG fürchtete einen Präzedenzfall und strebte eine außergerichtliche Einigung an. Nach langen Verhandlungen zahlte sie schließlich 27 Millionen Mark an die Conference on Jewish Material Claims against Germany zur Verteilung an jüdische Zwangsarbeiter, die länger als sechs Monate im Konzentrationslager gewesen waren und deren Anträge bewilligt wurden. Die etwa 5.800 Empfänger der Zahlungen mussten sich jedoch gleichzeitig verpflichten, auf weitere Ansprüche zu verzichten. „Auf Druck der Claims reagierten in den kommenden Jahren weitere Großunternehmen mit niedrig angesetzten Offerten“, schilderte Stefan Weigand die weitere Entwicklung. „Ein ‚Kuhhandel um Auschwitz’ – so der langjährige Claims-Vorsitzende Benjamin B. Ferencz – setzte ein, und am Ende konnten Einmalzahlungen im Bereich von einigen tausend Mark an jene verteilt werden, die sich überwanden, Geld von ihren ehemaligen Peinigern zu nehmen, schnell genug einen Antrag stellten und trotz gezielter Dokumentenvernichtungen auf deutscher Seite nachweisen konnten, bei dem jeweiligen Unternehmen Arbeit geleistet zu haben.“

Vernichtung und Volkswohlstand

Während die Zwangsarbeiter also höchstens in Ausnahmefällen Zahlungen erhielten – die zudem verschwindend gering waren – und ihre körperlichen und seelischen Schäden lebenslang andauerten, gab es „400 Milliarden Mark an Leistungen für deutsche Kriegsverbrecher, Massenmörder, deren Witwen usw. [...], deren Auszahlung auch an Kollaborateure der Deutschen in die Länder des Realsozialismus kein Problem war“, schrieb der Politikwissenschaftler Jörg Rensmann in dem 2003 erschienenen Buch The Final Insult. (1) Die deutschen Unternehmen feierten derweil die „Wiederherstellung des deutschen Kredits“, wie es der Chef der Deutschen Bank, Hermann Josef Abs, 1959 formulierte, und zogen sich zudem durchweg mit der durchsichtigen Behauptung aus der Affäre, die Zwangsarbeit sei von der SS angeordnet worden, weshalb – wenn überhaupt – der Staat in der Entschädigungspflicht stehe. Rensmann brachte die Konsequenzen aus der systematischen Zahlungsverweigerung auf den Punkt: „Der Wohlstand der Bundesrepublik beruhte hauptsächlich auf der kontinuierlichen Verwertung von Profiten aus dem Nationalsozialismus. [...] Man halluzinierte sich ein ‚Wirtschaftswunder’, dessen materielle Grundlage gleichzeitig verdrängt wurde, nämlich die Profite aus ‚Arisierung’ und Zwangsarbeit und die dadurch erzwungene Rettung von deutschen Produktionsanlagen etwa bei Daimler-Benz, dessen Produktionsanlagen zu 80% durch Bombenangriffe zerstört wurden, während gleichzeitig 80% der Produktionsmittel durch die oftmals tödliche Ausbeutung von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern unversehrt blieben.“ (2) Und so konnten die deutschen Unternehmen nach dem Krieg mit den eingesparten Lohnkosten über Jahrzehnte höchst gewinnbringend weiterarbeiten.

Das geriet erst ins Wanken, als ehemalige Zwangsarbeiter in den USA Sammelklagen gegen Dependancen deutscher Firmen und Banken einreichten, die diesen dauerhaft empfindliche ökonomische Einbußen auf dem amerikanischen Markt zu bescheren drohten. Dadurch gerieten sowohl der deutsche Staat als auch die Unternehmen plötzlich unter Zugzwang. Im Februar 1999 traten schließlich zwölf große deutsche Konzerne mit dem Vorschlag der Errichtung einer Stiftungsinitiative „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ an Bundeskanzler Gerhard Schröder heran und formulierten in einer Erklärung drei Ziele: „Eine Antwort auf moralische Verantwortung deutscher Unternehmen aus den Bereichen der Zwangsarbeiter-Beschäftigung, der Arisierung und anderen Unrechts aus der Zeit der NS-Herrschaft zu geben, aus diesem Verständnis der NS-Vergangenheit humanitäre und zukunftsweisende Projekte zu fördern und dadurch eine Grundlage zu schaffen, um Klagen, insbesondere Sammelklagen in den USA, zu begegnen und Kampagnen gegen den Ruf unseres Landes und seiner Wirtschaft den Boden zu entziehen.“ Angeregt wurden zu diesem Zweck die Schaffung eines „humanitären Fonds zugunsten von ehemaligen Zwangsarbeitern und anderer NS-Geschädigtengruppen“ sowie „einer geeigneten Zukunftsstiftung für Projekte, die eine Beziehung zur Veranlassung des Fonds haben“. In der Präambel der Initiative hieß es gleichwohl einschränkend, „Rechtsansprüche gegen deutsche Unternehmen im Hinblick auf Zwangsarbeit oder Schäden wegen der Verfolgung während der NS-Zeit“ bestünden nicht. Zudem sei „für die Bereitstellung der Mittel“ unabdingbar, „dass für die Unternehmen umfassende und dauerhafte Rechtssicherheit geschaffen wird, d.h. dass sie vor gerichtlicher Inanspruchnahme geschützt sind und auch eine realistische Aussicht auf Schutz vor entsprechenden administrativen und legislativen Maßnahmen gegen deutsche Unternehmen besteht“.

Jörg Rensmann konstatierte dazu treffend: „Das Ergebnis so genannter Verhandlungen, die in Wahrheit von der deutschen Seite [...] einer Erpressung der überlebenden Zwangsarbeiter gleichkamen, war die Einrichtung des Stiftungsfonds der deutschen Wirtschaft und des deutschen Staates, der vor allem ein Ziel hat: die Abwehr von Forderungen respektive die Herstellung dessen, was die Nachkommen der Täter schon immer unter ‚Rechtssicherheit’ verstanden. Schon im Titel der Stiftung ‚Erinnerung, Verantwortung [und] Zukunft’ werden absichtsvoll Begriffe wie Schuld, Haftung, Entschädigung oder Sklavenarbeit vermieden.“ (3) Die Gründung der Stiftung, die im August 2000 unter Rot-Grün gesetzlich beschlossen wurde, bedeutete also gleichzeitig das Ende der finanziellen Konsequenzen aus den deutschen Verbrechen, zumal die Antragsteller ihren Verzicht auf über die Almosenzahlungen hinausgehende Forderungen erklären mussten. „Indem neben der Zwangs- und Sklavenarbeit auch noch der Raub jüdischen Eigentums [durch die] Banken, Versicherungen und ihre deutschen Nachbarn in den Fonds miteingeschlossen wurde, soll der materielle Schlussstrich endgültig sein“, urteilten die Autoren der Berliner gruppe offene rechnungen. „Die zögerliche Auszahlungspraxis, die Gängelung und Kontrolle der Partnerstiftungen in den osteuropäischen Ländern [...] zeigen die Fortdauer deutscher Überheblichkeit und die Beleidigung der wenigen Überlebenden.“ (4)

Paradigmenwechsel in der deutschen Geschichtspolitik

Die Einrichtung der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ spiegelte gleichzeitig den Paradigmenwechsel in der deutschen Geschichtspolitik wider. Hatte noch Helmut Kohl ganz auf eine Einopferung der Deutschen gesetzt und betont: „Die Kassen bleiben zu!“, erkannte die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder, dass eine formale und freimütige Anerkennung der Verantwortung für die nationalsozialistischen Verbrechen einen weit größeren Aktionsradius eröffnet, wie auch Stefan Weigand befand: „Der Wechsel von [der] offiziellen Gedenkvergessenheit zur -versessenheit begründet im Stolz auf die Aufarbeitungsweltmeisterschaft einen neuen, pseudo-antifaschistischen Nationalismus, der den Herausforderungen einer aufstrebenden Weltmacht besser entspricht als der Provinzialismus Kohls.“ Der Einsatz des monetären Kapitals für die deutsche Vergangenheitsbewältigung hielt sich dabei in engen Grenzen: Die zehn Milliarden Mark für den Stiftungsfonds, zu gleichen Teilen von Staat und Wirtschaft getragen, stellten lediglich einen Bruchteil des den Zwangsarbeitern vorenthaltenen Lohns dar, und sie wurden zudem um ein Vielfaches dadurch kompensiert, dass im Zuge der Abweisung der Sammelklagen entscheidende Hemmnisse für in den USA wirtschaftende deutsche Unternehmen beseitigt wurden. Der Gewinn an moralischem Kapital war nicht eben geringer: Mit dem Verweis auf die Aufarbeitung der deutschen Geschichte wurde bereits der Krieg gegen Jugoslawien geführt, den der seinerzeitige Außenminister Joseph Fischer nicht zuletzt mit dem Argument zu legitimieren versuchte, es gelte, im Kosovo ein „zweites Auschwitz“ zu verhindern. Und auch der zur „Israel-Kritik“ verharmloste Antisemitismus und das Appeasement gegenüber den Feinden des jüdischen Staates, der zunehmende Antiamerikanismus – wie er nicht zuletzt in Schröders Ideologemen vom „deutschen Weg“ und der „Friedensmacht“ zum Ausdruck kam – oder die Drangsalierung Tschechiens, die Benes-Dekrete zu widerrufen, sind Belege dafür, wie sehr sich die Deutschen inzwischen im Recht glauben, sich zum Hüter über Menschenrechte und Humanität aufschwingen zu sollen.

Die veränderte deutsche Geschichtspolitik besteht also aus einem Schlussstrich unter die finanziellen Verpflichtungen, während auf der politischen und moralischen Ebene der Vergangenheitsdiskurs perpetuiert wird. Geradezu paradigmatisch drückte das Bundeskanzlerin Angela Merkel anlässlich der Einstellung der Zahlungen an NS-Zwangsarbeiter aus: „Die individuellen Auszahlungen sind zwar nun abgeschlossen worden, doch damit endet nicht die Tätigkeit der Bundesstiftung. Jetzt beginnt die verstärkte Hinwendung auf die erinnerungs- und zukunftsorientierte Zusammenarbeit. Dazu ist der Fonds ‚Erinnerung und Zukunft’ als dauerhafte Einrichtung geschaffen worden. Ich wünsche mir, dass die Bundesstiftung weiter dazu beitragen wird, die internationale Zusammenarbeit auf humanitärem Gebiet zu vertiefen, die Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen als immerwährende Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland zu begreifen und heutigen totalitären Entwicklungen auf der Welt entgegenzuwirken.“ Wie das konkret aussieht und wofür die veranschlagten 700 Millionen Mark aus dem Stiftungskapital aufgewendet werden, zeigt beispielsweise das von der Stiftung finanzierte Projekt „Europa für den Frieden“, das sich mit den „Trümmerfrauen in Köln und Wolgograd“ und dem „Widerstand gegen die kommunistischen Diktaturen“ beschäftigt. Die Shoa ist den Deutschen längst schon nicht mehr Bürde und schon gar nicht präzedenzlos, sondern vielmehr „Fixpunkt für die Akkumulation eines moralischen Mehrwerts, die ein transformiertes nationales Sendungsbewusstsein begründet“, wie es Stefan Weigand formulierte. Die NS-Zwangsarbeiter wurden dabei in die Rolle von Kronzeugen gezwungen. (5)

Unerhörte Kritik

Nun hat die Bundesstiftung „ihren großen Zweck erledigt“ (Otto Graf Lambsdorff) und soll verkleinert werden. Der Bundesregierung schwebt vor, einen Stiftungsrat zu installieren, dem dann keine Vertreter osteuropäischer Regierungen und Partnerorganisationen mehr angehören sollen – sie haben ihre Schuldigkeit getan; alles Weitere wollen die Deutschen am liebsten ohne lästige Verhandlungen mit ihnen besprechen und entscheiden. Doch nicht nur das bietet Anlass zum Widerspruch. Die Kölner Projektgruppe Messelager (6) kritisierte bei zwei Protestaktionen während der Feiern zur Beendigung der Auszahlungen der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft im Berliner Commerzbank-Haus und im Schloss Bellevue vor allem, die meisten Opfer des Nationalsozialismus seien von den Zahlungen ausgeschlossen worden oder bereits verstorben und die geleisteten Kompensationen außerdem viel zu gering gewesen. Die Gruppe fordert daher unter anderem die Einrichtung eines Zusatzfonds – in den die Unternehmen einzahlen sollen, die von der Zwangsarbeit profitierten, bisher jedoch zu wenig finanzielle Mittel oder sogar überhaupt keine bereit gestellt haben –, die Abschaffung der Antragsfristen sowie die Erweiterung des Kreises der Anspruchsberechtigten um die so genannten Italienischen Militärinternierten, die Opfer von Massakern in den von den Deutschen besetzten Gebieten und diejenigen Zwangsarbeiter, die für deutsche Unternehmen in den besetzten Gebieten arbeiten mussten. Zudem sollten die Kosten für die medizinische Behandlung der ehemaligen Zwangsarbeiter übernommen, der vorenthaltene Arbeitslohn beglichen und die Rentenzahlungen entsprechend angepasst werden. (7)

Doch solche Zwischenrufe blieben die Ausnahme; in Politik und Medien überwog erwartungsgemäß die Zufriedenheit, der deutschen Erfolgsstory namens Vergangenheitsbewältigung ein weiteres Kapitel hinzugefügt zu haben. Dass rund 1,6 Millionen Überlebende des deutschen Vernichtungsprojekts in den letzten Jahren Einmalzahlungen bis maximal 7.500 Euro erhielten, ist gewiss besser als gar nichts. Aber selbst diese „Brosamen vom Herrentisch“ (Thomas Kuczynski) wären ohne den Druck durch die Sammelklagen wohl kaum aufgebracht worden, und nun gelten sie als große, freiwillige Geste. Der finanzielle Schlussstrich, der sich außerdem im Wortsinne rentiert hat, war für die Deutschen jedenfalls ausgesprochen preiswert zu haben. Und sie haben die Konditionen letztlich diktiert, denn die osteuropäischen Regierungen und Partnerorganisationen der deutschen Stiftung hatten keine andere Wahl, als sie zu akzeptieren, wollten sie nicht gänzlich leer ausgehen. „Wir alle wissen: Das zugefügte menschliche Leid kann mit finanziellen Mitteln niemals wiedergutgemacht werden. Umgekehrt darf dies aber nicht als Vorwand dazu dienen, den Opfern nationalsozialistischer Verbrechen humanitäre Leistungen zu verweigern“, sagte Angela Merkel in ihrer Rede im Schloss Bellevue – 62 Jahre nach der Niederschlagung des Nationalsozialismus. Unzählige seiner Opfer konnten diese Worte nicht mehr hören, weil sie nicht mehr leben. Für nicht wenige der Verbliebenen wiederum dürften sie wie Hohn geklungen haben.

Anmerkungen
(1) Jörg Rensmann: Anmerkungen zur Geschichte der deutschen Nichtentschädigung, in: gruppe offene rechnungen (Hg.): The Final Insult. Das Diktat gegen die Überlebenden. Deutsche Erinnerungsabwehr und Nichtentschädigung der NS-Sklavenarbeit, Münster 2003, S. 45-70 (S. 55).
(2) Rensmann a.a.O., S. 52. Ausführlich zum Thema vgl. Gerhard Scheit: Die Meister der Krise. Über den Zusammenhang von Menschenvernichtung und Volkswohlstand, Freiburg 2001.
(3) Rensmann a.a.O., S. 62.
(4) gruppe offene rechnungen: „The Final Insult“ – Das Diktat gegen die Überlebenden, in: dies. a.a.O., S. 7-13 (S. 12).
(5) Vgl. gruppe offene rechnungen: „Erinnerung – Verantwortung – Zukunft“. Zur Kritik deutscher Zahlungsverweigerung und der Abwehr der Erinnerung, in: dies. a.a.O., S. 14-21 (S. 19).
(6) Das Kölner Messelager war ein Außenlager des KZ Buchenwald; die Projektgruppe organisiert seit 1989 Besuchsprogramme für ehemalige Zwangsarbeiter, KZ-Häftlinge und Kriegsgefangene, seit 1990 in Zusammenarbeit mit der Stadt Köln.
(7) Vgl. Zwangsarbeit verjährt nicht! Sofortige Entschädigung aller NS-ZwangsarbeiterInnen, Kriegsgefangenen und Massakeropfer. Flugblatt der Kölner Projektgruppe Messelager, Juni 2007 (nicht online verfügbar).

Fotos: Lizas Welt. Von oben: (1) Proteste vor dem Commerzbank-Haus in Berlin. Otto Graf Lambsdorff, Mitglied des Kuratoriums der Stiftung Erinnerung Verantwortung und Zukunft sowie ehemaliger deutscher Verhandlungsführer, wirft einen Blick auf das Flugblatt der Kölner Projektgruppe Messelager. (2) Der Eingang des Commerzbank-Hauses vor dem Abendessen der Kuratoriumsmitglieder. (3) „Ein Ort, an den man gerne geht“ (Gerhard Schröder): Das Holocaust-Mahnmal in Berlin inklusive Gastronomie mit guter Aussicht. (4) Proteste vor der Zufahrt zum Schloss Bellevue, zum Unwillen der Polizei.