8.7.09

Wo ist eigentlich die Antifa?



Ach ja, die Antifa. Zu ihren besseren Zeiten, also Anfang bis Mitte der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, hat sie ihrem Namen noch alle Ehre gemacht und buchstäblich mit allen Kräften dafür gesorgt, dass sich auch solche Menschen (wieder) auf die Straße trauten, die nicht so aussahen, als könnten sie jederzeit der NPD beitreten. Das war bisweilen ein ziemlich harter Job, den aber jemand machen musste, weil Politik, Presse und Polizei die Faschos nicht als potenzielle und tatsächliche Mörder, sondern als Sozialfälle betrachteten und sie mit Verständnis und Jugendzentren überhäuften, statt sie daran zu hindern, das zu tun, was sie taten, weil man sie nicht daran hinderte. Um die Jahrtausendwende dämmerte es dann dem Staate Bundesrepublik, dass sich das Treiben von Adolfs Erben negativ auf den Tourismus und die Exportquoten auswirkt. Also wurde der „Aufstand der Anständigen“ proklamiert und allenthalben verkündet, dass man als guter Deutscher heute einfach kein Nazi mehr ist, sondern vielmehr stolz auf seine „Vergangenheitsbewältigung“ genannte Selbstläuterung. Seitdem hat die Antifa ein echtes Problem – zumindest im Westen der Republik –, denn ihre ursprüngliche Bezugsgruppe, das „Fa“, hat an Relevanz stark eingebüßt. Und nur wenige Antifa-Gruppen – wie etwa die der Berliner Humboldt-Uni oder [a:ka] aus Göttingen – haben begriffen, dass Antifaschismus die Solidarität mit Israel bedeutet und die größte Gefahr für die Juden weltweit derzeit nicht von arischen Glatzköpfen ausgeht, sondern von ihren islamistischen Nacheiferern.

Den Antifa-Mainstream hingegen beschäftigen ganz andere Dinge. Vor allem die Antifaschistische Linke Berlin, die sich mit www.antifa.de sozusagen die Schlossallee unter den Antifa-Domains gesichert hat, hat mit Kiez, Cops und Kapitalismus dermaßen viel zu tun, dass sie kaum dazu kommt, mal in den Iran zu schauen, wo Abertausende einen anständigen Aufstand einem Aufstand der Anständigen vorziehen und dafür mit einer Repressivität niedergemacht werden, die sich die Damen und Herren Gipfelstürmer nicht mal im Entferntesten vorzustellen vermögen. Irgendwann glaubte die Hauptstadtantifa dann aber doch, sich zu dieser Angelegenheit äußern zu sollen, und das tat sie mit einer Podiumsdiskussion, die den nachgerade globalgalaktischen Titel „Der Aufstand im Iran, die Medien, die Linke und der Imperialismus“ trug. Einmal Rundumschlag bitte, darunter machen wir’s nicht. Der Ankündigungstext präzisierte schließlich, was man ohnehin schon ahnen konnte: „Brennende Autos, wüste Straßenschlachten, prügelnde Bullenhorden und Massenproteste“ – recht eigentlich also der Traum eines jeden Linken. Aber, ach: „Die Proteste passen den Propagandisten des Menschenrechtsimperialismus gut ins Konzept.“ Und mehr noch: „Durch die Nebelbombe der bürgerlichen Presse verunsichert, tut sich die radikale Linke mit einer Analyse der Ereignisse dagegen schwer.“

Dieser Stuss kommt von Leuten, die schon „Faschismus!“ schreien, wenn morgens der Wecker klingelt und der Zeitungsbote dem Nachbarn die FAZ auf die Fußmatte legt, aber eine Revolte gegen ein klerikalfaschistisches Regime erst mal in kiezigen Hinterzimmern diskutieren müssen. Konsequenterweise haben sie zu diesem Behufe den notorischen Rüdiger Göbel eingeladen, bei den Nationalbolschewiken von der jungen Welt beschäftigt und dort jüngst mit einem Interview auffällig geworden, in dem er einen exiliranischen Attac-Aktivisten dafür schilt, dass dieser die Demonstrationen gegen die Mullahs partout nicht als das Werk der CIA betrachten mag. Als scheinbar äquidistanten Ausgleich haben die Metropolenantifas vier Tage später einen Kundgebungsaufruf der Säkularen IranerInnen für Freiheit und Demokratie veröffentlicht – nicht ohne ihm jedoch eine eigens verfasste Einleitung voranzustellen, in der es unter anderem heißt: „Wenn sich fortschrittliche Bewegungen gegen Unterdrückung und für Demokratie stark machen, müssen die linken, antikapitalistischen Kräfte innerhalb der Bewegung gestärkt und unterstützt werden.“ Im Klartext: Solange die Iraner nicht unseren Kreuzberger Befindlichkeiten folgen, können sie uns mal dort, wo wir am schönsten sind.

Dieser Attitüde sei entgegengehalten, was der szenige Kölner Informationsdienst Plotter – der sonst gerne jeden Furz veröffentlicht, den irgendwelche Linken in der Domstadt lassen – in einem lichten Moment von sich gab: „Warum seid ihr nicht da? Geht es nicht um Eure Disko? Sind Euch die Islamisten in der iranischen Regierung nicht Nazi genug? Wo ist das Problem? Glaubt ihr an Verschwörungstheorien, wonach die CIA in der Lage sei, wochenlange Aufstände anzuzetteln? [...] Für jede islamistische Ameise im Gaza sind mehr Leute auf der Straße als für die hauptsächlich von Frauen getragene Bewegung im Iran. Nehmt ihr sie nicht ernst, weil sie Frauen sind? Raus auf die Straße, die Freiheit im Iran ist nicht unwichtiger als Euer AZ und Eure Dorfnazis!“ Ach ja, die Antifa.

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