24.2.10

Eine Lanze für den Mossad



Es ist schon bezeichnend: Während die Hamas höchstselbst inzwischen vermutet, dass die gezielte Tötung ihres Frontmanns Mahmud al-Mabhuh in einem Hotel in Dubai auf das Konto der jordanischen oder ägyptischen Regierung oder der Palästinensischen Autonomiebehörde geht, ist man in Europa ganz sicher: Das kann nur der israelische Geheimdienst Mossad gewesen sein. Und weil die angeblichen Mitglieder des Kommandos auch noch mit manipulierten europäischen Pässen in das Emirat gelangt sein sollen, bebt die EU förmlich vor Zorn: Israelische Diplomaten werden einbestellt, Erklärungen verfasst, Ermittlungen eingeleitet. Sogar mit dem Abbruch der Gespräche wird gedroht. Die Europäer sind mal wieder in Höchstform: Jede weitere Stufe des gegen Israel gerichteten iranischen Atomwaffenprogramms wird umgehend mit einem neuen Verhandlungsangebot belohnt; die Ausschaltung eines antiisraelischen Terrorführers hingegen hat zur Folge, dass dem jüdischen Staat nachteilige politische Konsequenzen angekündigt werden. Als vor rund fünf Jahren der langjährige libanesische Ministerpräsident Rafik al-Hariri in Beirut von einer Bombe zerfetzt wurde, die aller Wahrscheinlichkeit nach auf das Konto der syrischen Regierung und syrischer Sicherheitskreise ging, gab es übrigens nicht einmal einen Bruchteil der jetzigen Empörung – obwohl die Detonation weitere 22 Menschen das Leben kostete. Aber wenn eine Tat nicht den Israelis in die Schuhe geschoben werden kann, fällt die Aufregung stets ungleich geringer aus.

Hierzulande findet man es erwartungsgemäß besonders unerhört, dass sich einer der vermeintlichen Mossad-Agenten deutsche Papiere besorgt hat – und das auch noch „offenbar unter der Benutzung einer Nazi-Opfer-Legende“, wie Spiegel Online schreibt. Das Nachrichtenmagazin hat nämlich herausgefunden, dass der Mann „seinen Anspruch auf einen deutschen Pass mit der Heiratsurkunde seiner Eltern, die vor den Nazis aus Deutschland geflüchtet seien“, begründete. Dabei kenne man einen Michael Bodenheimer nicht einmal in dessen im Dokument angegebenen israelischen Geburtsort Liman, den Spiegel Online mit untrüglichem Gespür für das Ressentiment so beschreibt: „Liman ist die englische Aussprache des deutschen Familiennamens Lehman – das Dorf wurde 1949 von ehemaligen israelischen Soldaten gegründet und nach dem amerikanischen Senator Herbert H. Lehman benannt (einem Verwandten jener Brüder, die der späteren Pleite-Bank ihren Namen gaben).“ Da mussten sich die deutschen Reporter natürlich sofort an die Fersen dieses Judenlümmels heften, der die allzeit unbestechliche deutsche Bürokratie mit dem Holocaust übers Ohr zu hauen gewagt hat.

Aber selbst wenn der Mossad tatsächlich für den Tod al-Mabhuhs verantwortlich sein sollte: Was gibt es daran zu kritisieren? Al-Mabhuh war ein in Syrien lebender hochrangiger militärischer Führer der Hamas und Gründungsmitglied der Kassam-Brigaden; schon in den 1970er Jahren hatte er sich als junger Mann der antisemitischem Muslimbruderschaft angeschlossen. Er saß in israelischen und ägyptischen Gefängnissen, schmuggelte Waffen in den Gazastreifen und war 1989, als orthodoxer Jude verkleidet, an der Entführung und Ermordung der beiden israelischen Soldaten Avi Sasportas and Ilan Sa’adon beteiligt. Nach Dubai war er mit einer falschen Identität gekommen, um in seiner Funktion als Verbindungsmann zwischen der Hamas und dem Regime in Teheran ein Waffengeschäft mit dem Iran abzuwickeln. Kurzum: Er war eine unmittelbare Gefahr für die Israelis; sein Fehlen wird die Hamas schmerzen und schwächen.

Ganz unabhängig von der Frage, wer Mahmud al-Mabhuh nun ins Jenseits beförderte, gebieten es allerdings bereits die deutschen und europäischen Verurteilungen des Mossad, eine Lanze für den israelischen Auslandsgeheimdienst zu brechen. Wäre beispielsweise Adolf Eichmann jemals seiner gerechten Strafe zugeführt worden, wenn ihn der Mossad nicht 1960 aus Buenos Aires entführt hätte? Und wären etwa die palästinensischen Terroristen, die während der Olympischen Spiele 1972 in München israelische Sportler ermordeten, ohne den Mossad jemals unschädlich gemacht worden? So, wie der Antisemit den Tod des Juden will (Jean-Paul Sartre), so wollen Israels Feinde die Auslöschung des „Juden unter den Staaten“ (Léon Poliakov). Diesen Feinden zeigt Israel den Preis und die Grenzen ihrer Sehnsucht beizeiten mit Hilfe seiner Armee und seiner Geheimdienste auf, denn nur diese Sprache verstehen sie. Und sie bekommen zu spüren, dass es für sie kaum einen Ort auf dieser Welt gibt, an dem sie ungestört und ohne Risiko an der Verwirklichung ihrer vernichtungswütigen Pläne arbeiten können.

„Es ist unpopulär, das zu sagen, aber ich bewundere es, wie die Israelis die Dinge erledigen“, schrieb Melanie Reid in einem bemerkenswerten Kommentar für die Londoner Times. „Sie wollen etwas, und sie bekommen es. Sie erkennen jemanden als ihren tödlichen Feind und bringen ihn um. Sie werden geschlagen und schlagen zurück. Sie verschwenden keine Zeit damit, sich über etwas den Kopf zu zerbrechen, es zu erklären oder zu rechtfertigen. Sie handeln einfach. Diese Absolutheit, die auf ihrer Geschichte gründet, hat ein ganz eigenes moralisches Gewicht. Sie könnten ihre Politik natürlich verteidigen, wenn sie es wollten, aber sie haben keine Lust dazu, denn es ist eine Vergeudung von Energien. In einer Zeit, in der der Westen immer sanfter und höflicher wird, brauchen wir vielleicht die Israelis, die uns daran erinnern, dass die Welt nun mal nicht ist, wie wir sie gern hätten.“ Da diese Erinnerung jedoch vermutlich keine Folgen zeitigen wird, bleibt fürs Erste nur das Diktum von Dan Schueftan, dem geschäftsführenden Direktor des Forschungszentrums für nationale Sicherheit an der Universität Haifa und langjährigen Berater verschiedener israelischer Regierungen: „Wann immer man Zweifel hat, was richtig ist, sollte man die Europäer fragen. Und dann das Gegenteil tun.“

Zum Foto: Palästinensische Kinder vor Porträtplakaten, auf denen Mahmud al-Mabhuh glorifiziert wird. Jabalia (Gazastreifen), Januar 2010.

15.2.10

Not in my house



O Captain! My Captain!
„Apropos van Bommel. Gegen Dortmund hat unser Kapitän natürlich ein monströses Spiel gemacht. Im Basketball nennt man so was ‚on fire’. Allein die Grätsche gegen Barrios im Strafraum, der gedanklich schon beim Torjubel war, Butt schon gefragt hatte, wo er ihn hinhaben wolle, links oder rechts, flach oder hoch, der sich eine Millisekunde später mit weit aufgerissenen Augen und der Nase im Gras wiederfand, allein diese Grätsche war jedes Eintrittsgeld wert. ‚Not in my house’ hätte es da durch das weite Rund erschallen können wie einst bei Dikembe Mutombo nach einem krachenden Monsterblock, um beim Bild mit dem Basketball zu bleiben.“
Schöner hat es niemand formuliert. Danke an Marco Thielsch vom Mingablog für dieses wunderbare Stück Fußballprosa.

12.2.10

„Antisemitismus ist immer ein Notfall“



Seit vielen Jahren schon steht mitten auf der Kölner Domplatte die „Klagemauer“, jene 20 Quadratmeter große „antisemitisch-antizionistische Installation, mit der Israel als blutsaugendes und mordendes Monster dämonisiert wird, das nicht nur die Palästinenser misshandelt, sondern auch eine Gefahr für den Weltfrieden darstellt“, wie Henryk M. Broder einmal treffend befand. Nun hat Gerd Buurmann (33) einen der Verantwortlichen für die „Klagemauer“ wegen Volksverhetzung angezeigt. Lizas Welt sprach mit dem künstlerischen Leiter des Kölner Severins-Burg-Theaters und Betreiber des Weblogs Tapfer im Nirgendwo über seine Gründe für diesen Schritt.

Lizas Welt: Herr Buurmann, Sie haben gegen Walter Herrmann, einen der beiden Macher der Kölner „Klagemauer“, Strafanzeige gestellt. Wie kam es dazu?

Gerd Buurmann: Diese Anti-Wand, wie ich sie nenne, ist mir schon länger ein Dorn im Auge. Durch eine einseitige Darstellung des vermeintlichen oder tatsächlichen Leids der Palästinenser und die Darstellung israelischer Politiker als Kriegsverbrecher verzerrt sie die Realität des Nahostkonflikts und schürt so antisemitische Ressentiments. Bisher habe ich mich aber nur über sie geärgert und nichts Konkretes dagegen unternommen. Ende Januar bin ich dann bei einem Spaziergang durch die Kölner Innenstadt mal wieder über die Wand gestolpert und habe gesehen, dass es auf ihr eine neue Tafel gibt. Darauf ist eine Karikatur zu sehen (Foto oben), die einen Juden zeigt, der mit Messer und Gabel ein kleines palästinensisches Kind zerstückelt, um sich an seinem Fleisch und Blut zu laben. Solche Bilder von kinderfressenden Juden haben damals die Nazis in die Welt gesetzt, um die Vernichtung der Juden zu legitimieren. Da hat es mir endgültig gereicht, und ich habe die Polizei verständigt.

Was hat die Polizei unternommen?

Die Beamten hatten nach meinem Eindruck zunächst überhaupt keine Lust, sich mit der Angelegenheit zu beschäftigen. Einer von ihnen meinte zu mir, diese Karikatur könnte doch auch im Spiegel zu finden sein; außerdem sei sie von der Meinungsfreiheit gedeckt. Schließlich wurden die Polizisten aber doch noch kooperativ, machten Fotos von der Tafel und nahmen meine Strafanzeige wegen Volksverhetzung entgegen.

Haben Sie versucht, mit Walter Herrmann ins Gespräch zu kommen?

Das habe ich vor längerer Zeit einmal probiert, aber es war vollkommen sinnlos. Der verfolgt mit seiner Anti-Wand eine regelrechte Mission. Es ist seine tief empfundene Überzeugung, dass Juden genau so sind, wie er sie auf seiner Wand darstellt. Die Strafanzeige ist für mich deshalb der zivilisierte Weg, dieses Problem anzugehen. Denn es kann nicht sein, dass da täglich auf der Kölner Domplatte unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit lupenreiner Antisemitismus verbreitet wird. Die ganze Wand ist eine Zumutung und muss verschwinden. Ein juristischer Weg sollte sich dafür eigentlich finden lassen.

Warum gab es bisher so wenig Protest gegen die „Klagemauer“?

Vertreter der Kölner Synagogengemeinde fordern schon seit Jahren nachdrücklich ein Verbot der Anti-Wand, aber bislang hat sich überhaupt nichts getan. Während sich die Kölner auf der einen Seite „quer stellen“, wenn gegen Muslime Stimmung gemacht wird, zeigen sie auf der anderen Seite eine eiskalte Ignoranz gegenüber Juden, eine Ignoranz, die nur eins bedeuten kann: Juden gehören nicht zu uns! Was Köln seinen muslimischen Bürgern nicht mal einen einzigen Tag lang zumuten würde, mutet es Juden täglich zu. Noch deutlicher kann man gar nicht sagen: Arsch hoch? Zähne auseinander? Nicht für Juden! Was würde wohl geschehen, wenn die Mohammed-Karikatur von Kurt Westergaard jeden Tag am Kölner Dom zu sehen wäre? Es gäbe vermutlich Proteste und Ausschreitungen, die schon in kürzester Zeit dafür sorgen würden, dass die Karikatur wieder von der Domplatte verschwindet. Wahrscheinlich würde sich auch eine nicht geringe Zahl von Kölnern ohne muslimischen Glauben gegen diese vermeintliche Verunglimpfung des Islams vor dem Kölner Dom zusammenfinden und brav den Arsch hoch und die Zähne auseinander nehmen.

Worin besteht für Sie der Unterschied zwischen einer Karikatur wie der an der „Klagemauer“ und etwa dem islamkritischen Cartoon von Westergaard?

Die Karikatur, die Mohammed mit einer Bombe auf dem Turban zeigt, sorgte weltweit für gewalttätige Proteste fanatischer Muslime, denen über hundert Menschen zum Opfer fielen. Außerdem gab es eine „Fatwa“ gegen den Zeichner Kurt Westergaard und mehrere Mordversuch an ihm. Die Karikatur hingegen, die einen Juden beim Zerstückeln eines Kindes zeigt, löste weder gewalttätige Proteste aus, noch musste der Zeichner jemals Angst um seine Gesundheit haben. Stattdessen sind es die durch dieses Bild verhöhnten Menschen, die um ihr Leben bangen müssen, da sich diese Zeichnung uralter antisemitischer Klischees bedient, um todbringenden Hass in die Köpfe der Antisemiten zu pflanzen. Die Mohammed-Karikatur ist somit schlimmstenfalls geschmacklos, die Juden-Karikatur aber ohne Zweifel mordsgefährlich.

Dem Kölner Stadt-Anzeiger war Ihre Strafanzeige immerhin eine kurze Meldung wert. Haben Sie weitere Reaktionen auf Ihren Schritt bekommen?

Ja, und zwar durchweg positive. Deshalb möchte ich dazu aufrufen, es mir gleich zu tun. Antisemitismus ist immer ein Notfall, der es rechtfertigt, die 110 zu wählen, auch wenn die Polizei das vielleicht anders sieht.
Foto: © Gerd Buurmann

9.2.10

Scharia? Find’ ich gut!



Was treibt eigentlich der akademische Nachwuchs im Land der Dichter und Denker so, wenn er nicht gerade gegen unzumutbare Studienbedingungen demonstriert? Nun, er macht sich oft und gern mit großem Engagement und kritischem Gestus ungezählte Gedanken über das Zusammenleben „der Menschen im Land“ (A. Merkel). Einer seiner geisteswissenschaftlichen Zweige beispielsweise beschäftigte sich in der vormals als linke Kaderschmiede geltenden Universität einer hessischen Kleinstadt vor nicht allzu langer Zeit ein Semester lang mit dem Thema „Medien und Orientwissenschaft – die Wahrnehmung des Islam und der islamischen Welt in der Deutschen Presse“. Was dabei herausgekommen ist, lässt sich anhand einer Hausarbeit nachvollziehen, die der GRIN-Verlag dankenswerterweise ins Programm genommen hat. In der Zusammenfassung dieser Publikation heißt es (Orthografie, Interpunktion etc. wie im Original):
„Als Thema meiner Arbeit wurde mir vorgegeben mich mit den positiven Seiten der Einführung der Scharia in Deutschland auseinander zu setzten. [...] Ich kam zu dem Schluss, dass die einzige Basis, auf der meiner Meinung nach über eine Berücksichtigung der Scharia in unserem Rechtssystem diskutiert werden kann, die der Integration ist. Grundgedanke hierbei sollte sein, dass man auf diesem Weg den Muslimen vermitteln könnte, dass man ihre spezielle kulturelle und religiöse Andersartigkeit achtet und gewillt ist, sie – soweit sie deutsches Recht oder die Grundrechte des Menschen und der Demokratie allgemein nicht beschneiden – zu berücksichtigen. Dies könnte es den Muslimen erleichtern, sich in unser Rechtsystem und unsere Kultur zu integrieren. Mithilfe dieser Ansicht möchte ich untersuchen, ob es grundsätzlich von Nöten ist, darüber nachzudenken, in wieweit islamisches Recht auch hier Anwendung finden sollte. [...] Denn nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen europäischen Ländern, wie England oder Frankreich, steht man vor der Aufgabe, dem immer größer werdenden Anteil der Muslime im Land dahingehend Rechnung zu tragen, dass man sich für die Wahrung ihrer kulturellen und religiösen Eigenheiten einsetzt, anstatt sie zu dämonisieren und aus der Gesellschaft auszuklammern.“
Der Verfasser respektive die Verfasserin hat also durchaus Gefallen an seinem bzw. ihrem Gegenstand gefunden, wie auch das Fazit der Arbeit zeigt:
„Ich denke, dass eine Anerkennung der Scharia [...] mit unserer Vorstellung von Rechtsstaatlichkeit vereinbar ist. [...] Ein liberaler und moderner Staat sollte in der Lage sein, Menschen verschiedenster Religionen und Ethnien unter einen Schirm zu bringen. [...] Ich würde mir wünschen, dass wir alle mehr Verständnis und Akzeptanz für die uns fremden Kulturen aufbringen können und den Willen zeigen, dass wir bereit sind, diese anzuerkennen. Dies könnte auch unser Leben bereichern.“
Ein bisschen Scharia hat ja bekanntlich noch niemandem geschadet, am wenigsten den Muslimen. Der Dozent war’s denn auch hochzufrieden:
„Im Rahmen eines ‚diskursiven Experimentes’ wird untersucht, was für die Einführung der Scharia in Deutschland spräche. Überzeugend analysiert sie [die Arbeit] Wesen und Geschichte der Scharia und plädiert für einen differenzierenden Umgang mit der Scharia, ohne rechtsstaatliche Prinzipien aufzugeben. Ich beurteile die Arbeit mit sehr gut (14 Punkte).“
Bliebe die Frage zu beantworten, wer denn der Lehrbeauftragte war, der da einem seiner Schützlinge den Auftrag erteilte, die Vorzüge der Bereicherung eines weltlichen Rechtsstaats durch die islamische Gerichtsbarkeit deutlich zu machen, und der nahezu maximalen Gefallen an dem daraus zwangsläufig resultierenden kulturrelativistischen, gemeingefährlichen Dreck fand. Es handelt sich – und das passt dann ja auch wie der Arsch auf den Eimer – um keinen Geringeren als den notorischen Islam- und Nahost-„Experten“ Michael Lüders, für den „der Westen“ selbst schuld am islamistischen Terror ist, der die bahnbrechende Idee hatte, im Krieg Israels gegen die Hizbollah den Iran als Vermittler einzuschalten, und der von einem „Friedensangebot“ ausgeht, wenn Osama bin Laden eine Hetzrede hält, ohne dabei mit einer Knarre zu jonglieren. So einem liegen sich kritisch dünkende Jungakademiker natürlich zu Füßen.

Interessant wäre es noch zu erfahren, ob Lüders sein Seminar mit ein paar praktischen Übungen beschlossen und, sagen wir, die muslimischen Teilnehmerinnen ganz differenziert und sozusagen diskursiv-experimentell der Scharia ausgesetzt hat, um den Studiosi die Vorteile dieser göttlichen Rechtsordnung zu veranschaulichen. Grau ist schließlich alle Theorie.

3.2.10

Die Lehren der Geschichte



Eine kleine Dokumentation politischer Äußerungen der letzten Tage – und ihre Beurteilung durch einen, der schon gar nicht mehr lebt.

„Ich bin stolz darauf, dass wir der Erzfeind der Nazi-Verbrechen sind. Ich bin stolz auf das Erbe unserer Väter – das Gegenteil jeder Rassenlehre. Ich bin stolz auf die Gründung des Staates Israel, die moralische und historische Antwort auf den Versuch, das jüdische Volk von der Erde zu tilgen.“ (Der israelische Staatspräsident Shimon Peres in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag am 27. Januar 2010)

„Dazu habe ich mich immer bekannt.“ (Christoph Metzelder, bei Real Madrid mehr oder weniger aktiver deutscher Fußball-Nationalspieler, in einem am 1. Februar 2010 veröffentlichten Interview des kicker auf die Frage, ob er stolz darauf sei, Deutscher zu sein)

„Zum Gedenken an die Opfer des Holocaust habe ich mich selbstverständlich von meinem Platz erhoben. Dass ich nach der Rede von Shimon Peres nicht an den stehenden Ovationen teilgenommen habe, liegt darin begründet, dass ich einem Staatsmann, der selbst für Krieg mitverantwortlich ist, einen solchen Respekt nicht zollen kann.“ (Sahra Wagenknecht, Bundestagsabgeordnete und Vorstandsmitglied der Partei Die Linke, in einer Erklärung vom 1. Februar 2010)

„Selbstverständlich habe ich an der Gedenkveranstaltung teilgenommen und habe mich bei der Würdigung der Opfer erhoben. Am Ende von Shimon Peres’ Rede bin ich allerdings nicht aufgestanden. Die Unterstellung von Peres, der Iran wäre heute eine ebenso große Bedrohung für die Welt und alle Juden wie Deutschland damals, ist falsch. Ich weise jegliche Gleichsetzung des Irans mit Nazideutschland zurück. Deutschland war die zweitmächtigste Industrie­nation und hatte die größten Landstreitkräfte der Welt. Der Iran heute ist eine zweitrangige Regionalmacht.“ (Christine Buchholz, Mitglied im geschäftsführenden Vorstand Die Linke und friedenspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Bundestag, in einer Erklärung vom 2. Februar 2010)

„Die NPD-Fraktionen in den Landtagen von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern haben solche Canossa-Veranstaltungen immer sofort verlassen oder sind gar nicht erst erschienen. Aber im Blickkontakt mit einem jüdischen Redner, der von deutschen Politikern nur den Kriechgang und die Anerkennung von ‚Kollektivschuld’ und ‚Erbschuld’ kennt, den Betroffenheitsapplaus zu verweigern, hat noch eine andere tabubrecherische Qualität. Für die Einübung des aufrechten Ganges – in diesem Fall durch demonstrative Beifallsverweigerung – gehört ausnahmsweise einmal einer Kommunistin und einer Trotzkistin Dank ausgesprochen.“ (Jürgen Gansel, NPD-Landtagsabgeordneter in Sachsen, in einer Erklärung vom 2. Februar 2010)

„Hochachtung vor Sarah [sic!] Wagenknecht [...]. Man mag in Deutschland leider auch lebende Juden und erweist diesen zu viel Ehre. Manchmal allerdings auch den richtigen, wie z.B. Daniel Barnboim [sic!] oder Alfred Grosser oder Felicia Langer. Juden dürfen auch zurückschlagen, wenn sie geschlagen werden. Aber die Ermordung von 14.500 [sic!] Zivilisten in Gaza ist weit davon entfernt, ein ‚Zurückschlagen’ zu sein. Wenn jemand meint, dass [sic!] müsse man den Juden erlauben, dann kann er auch nichts dagegen haben, was Putin in Tschetschenien getan hat oder die Chinesen in Tibet oder eben auch Hitler mit den Juden.“ (Abraham Melzer, Herausgeber der Zeitschrift Semit, in einem Kommentar vom 2. Februar 2010 zum Beitrag „Sahra und die toten Juden“ auf dem Weblog Basisbanalitäten)

„Der Iran ist nach den Worten von Präsident Mahmud Ahmadinedjad bereit, sein Uran wie von den Vereinten Nationen gefordert im Ausland anreichern zu lassen. Sein Land habe keine Probleme damit, das schwach angereicherte Uran in den Westen zu schicken und es einige Monate später auf 20 Prozent angereichert wieder zurückzubekommen, sagte Ahmadinedjad am Dienstag in einem Interview mit dem staatlichen iranischen Fernsehen.“ (Agenturmeldung vom 2. Februar 2010)

„Der Arbeitskreis Umwelt (AKU) Gronau ruft zum weiteren Protest gegen die Gronauer Urananreicherungsanlage (UAA) auf. Konkret lädt er alle besorgten Bürgerinnen und Bürger zur Teilnahme an einer Mahnwache vor dem Gronauer Rathaus am Mittwoch (3.2.) von 17.30 – 18.00 Uhr ein. Anlass ist die öffentliche Sondersitzung des Gronauer Stadtrates, die Mittwoch um 18.00 Uhr beginnt. [...] Am Samstag demonstrierten in Gronau rund 200 Personen unter dem Motto ‚Für ein Leben ohne Urananreicherung’, darunter auch viele aus Gronau. Die Proteste werden auch nach der Mahnwache und Sondersitzung des Rates fortgesetzt.“ (Aus einem Aufruf des Arbeitskreises Umwelt Gronau für den 3. Februar 2009)

„Im Namen des Friedens gegen Israel zu sein, ist etwas Neues. Denn dieses Ressentiment hat alle praktischen und politischen Beweggründe abgestreift. [...] Dieser neue Antisemitismus erwächst weder aus niedrigen Instinkten noch ist er Ausfluss ehrbarer politischer Absichten. Er ist die Moralität von Debilen. Das antijüdische Ressentiment entspringt den reinsten menschlichen Bedürfnissen, es kommt aus der Friedenssehnsucht. Es ist daher absolut unschuldig, es ist so universell wie moralisch. Dieser moralische Antisemitismus beschließt die deutsche Wiedergutwerdung insofern, als sich durch ihn die Vollendung der Inhumanität ankündigt: die Banalität des Guten.“ (Eike Geisel: Bericht aus einem Zwischenlager, in: ders.: Triumph des guten Willens. Gute Nazis und selbsternannte Opfer – die Nationalisierung der Erinnerung, Berlin 1998, S. 117-129, hier: S. 120f.)